Startseite
Solothurn
Kanton Solothurn
Die Parteipräsidenten im Vorfeld der Wahlen: SP-Chefin Franziska Roth kann sich ein Zweck-Ja zur «Jetzt si mir dra»-Initiative vorstellen.
In Zeiten von Corona erhielt die SP Konkurrenz: Praktisch alle Parteien zeigten sich «sozialdemokratisch» und setzten sich für Hilfsprogramme ein ...
Franziska Roth: Das zeigt, dass es einen guten, starken und vor allem einen handlungsfähigen Staat braucht und die SP-Politik richtig ist. Doch es gibt grosse Unterschiede. Gut, der Kantonsrat hat schnell kapiert, was nötig ist – ganz im Gegensatz zum Nationalrat, wo wir sämtliche Register ziehen mussten. Der Solothurner Regierungsrat hat gesamthaft gesehen einen guten Job gemacht, abgesehen davon, dass er Menschen durch die Maschen fallen liess. Es gefällt mir nach wie vor nicht, dass man Stundenlöhner durch die Maschen hat fallen lassen und diese nun dem Sozialamt überlässt.
In einer kleinen Serie befragen wir die Parteipräsidentinnen und -präsidenten zu den Vorbereitungen für die Regierungs- und Kantonsratswahlen 2021. Heute SP-Nationalrätin Franziska Roth.
Nach Jahren des Krebsgangs ging die SP bei den Kantonsratswahlen 2017 als eigentliche Siegerin hervor: Sie legte mit ihren Jungparteien um fast 2,5 Prozent auf 21,6 Prozent zu, steigerte ihre Sitzzahl um 4 auf 23 Mandate (von 100) und wurde hinter der FDP zweitstärkste Kraft im Parlament. In der fünfköpfigen Regierung ist die SP seit 2005 jeweils nur noch mit einem Sitz vertreten. Dieser ist seit 2017 von Susanne Schaffner (58) besetzt, die dem Departement des Innern vorsteht. (ums.)
Sie kündigten schon früh an, 2021 sei Ihre letzte Wahl als kantonale Parteipräsidentin. Bleibt es dabei?
Ja. Ich bin seit April 2012 Parteipräsidentin und ich habe mich immer gegen Sesselkleber ausgesprochen. Dies gilt nicht nur für Mandatsträger in Parlamenten und Exekutiven, sondern auch für Parteipräsidenten. Dazu kommt, dass ich als Nationalrätin zwangsläufig stärker auf andere Themen fokussiert bin. Es scheint mir wichtig, dass eine Parteipräsidentin oder ein Parteipräsident möglichst im Kantonsrat sitzt.
Kein Interesse daran, nächsten März für den Regierungsrat zu kandidieren und als zweite SP-Frau gewählt zu werden?
Sie sprechen eine Doppelkandidatur der SP an?
Genau.
Dieser Fall ist für mich klar: Die kantonale Geschäftsleitung beantragt dem Parteitag vom 19. August, mit einer Einerkandidatur, mit unserer Regierungsrätin Susanne Schaffner, ins Rennen zu steigen.
Also kein Risiko eingehen? Das ist doch angesichts der CVP-Doppelvakanz mutlos?
Zwischen Mut und Übermut liegt eine ganz schmaler Grat – und da wollen wir nichts heraufbeschwören. Wir wollen mit unserer starken Regierungsrätin fokussiert in die Wahl ziehen und uns nicht verzetteln. Es sei denn, dass die Parteibasis einen anderen Entscheid fällt. Aber man muss einfach sehen: Solothurn ist kein linker, sondern ein bürgerlicher Kanton. Ich bin überzeugt, dass neben unserer Regierungsrätin Susanne Schaffner und der Grünen Brigit Wyss kein dritter rot-grüner Sitz drinliegt.
Apropos Brigit Wyss: Manche Rote ärgern sich mitunter grün und blau über die grüne Volkswirtschaftsdirektorin. Sie sei zu wirtschaftsfreundlich, kritisieren etwa die Gewerkschafter. Was sagen Sie?
Es trifft zu, dass wir dann und wann mit einer gewissen Entrüstung von einzelnen Positionen von Brigit Wyss Kenntnis genommen haben. Etwa angesichts ihres Engagements für die vom Volk verworfene Tiefsteuerstrategie – da vermissten wir schon das gewisse rot-grüne Quäntchen. Tatsache ist, dass sie in ihrem Amt mehreren Seiten verpflichtet ist und sich entscheiden muss – dann und wann auch für die wirtschaftliche Seite.
Reicht es dennoch für die Unterstützung durch die SP? Für die Verteidigung beider links-grünen Sitze müssten SP und Grüne wohl doch zusammenspannen?
Rot-Grün ist grundsätzlich ein zuverlässiges, authentisches Ticket. Das hat bisher immer bestanden und ich bin überzeugt, dass die Arbeit von Brigit Wyss auch von der SP-Wählerschaft honoriert wird.
Sie als Parteipräsidentin befürworten deren weitere Unterstützung?
(Überlegt) Im ersten Wahlgang kommt es auf jede Stimme an, damit die guten Kandidatinnen und Kandidaten gewählt werden. Ich setz mich als Parteipräsidentin mit allem dafür ein, dass Susanne Schaffner im ersten Wahlgang gewählt wird. Aber für mich ist ebenfalls klar, dass auch Brigit Wyss gewählt wird.
Noch einmal: Wie steht’s mit offizieller Unterstützung?
Das wird jeweils von Wahlgang zu Wahlgang entschieden. Wie immer diskutieren wir das im Zuge der Gespräche über die Listenverbindungen für die Parlamentswahlen. Wir haben mit den Grünen nach wie vor den zuverlässigsten Sparringpartner und deshalb bin ich fast sicher, dass wir mit den Grünen wieder in allen Wahlkreisen Listenverbindungen eingehen werden. Aber es gibt schon Momente, in denen man gerne etwas grünere oder linkere Tupfer in der Arbeit der Volkswirtschaftsdirektorin erhoffen würde. Aber man muss das Gesamtbild sehen.
Auf Anhieb werden zwei CVP-Regierungssitze frei. Die SVP wartet schon lange auf ihre Chance ...
Sie erwarten nun aber nicht, dass ich für die SVP ein Wort einlege?
Das nicht. Aber es könnte doch sein, dass deren Antreten letztlich auf Kosten eines der linken Sitze geht ...
Bei Wahlen muss man mit allen Szenarien rechnen. Garantierte Sitze gibt es nicht, selbst mit starken Kandidaturen. Wir fokussieren uns auf unsere starke Regierungsrätin, auf unsere Themen und somit auf die Erhaltung eines handlungsfähigen Kantons.
Der SVP-Präsident präsentiert nach der Idee eines rein bürgerlichen Kandidaten-Tickets nun plötzlich die neue Zauberformel «Ein Sitz für alle» – also für FDP, SP, CVP, Grüne und SVP. Was sagen Sie zu diesem Modell?
Gut, dass Christian Imark von der Idee einer rein bürgerlichen Regierung abgekommen ist. Ich habe keine Ahnung, was ihn geritten hat, als er dies ins Spiel brachte. Rein von der Wählerstärke her hätte die SVP Anrecht auf einen Sitz. Aber die Parteien nominieren die Kandidatin oder den Kandidaten. Entscheiden tut letztendlich das Volk an der Urne. Bis anhin hatte ich allerdings nicht den Eindruck, dass die SVP ernsthaft an einer Mitarbeit in der Regierung interessiert war.
Polizeidirektorin Schaffner setzt sich vehement für die Revision des Polizeigesetzes ein, die insbesondere von Juso und Junger SP Region Olten als Rückfall in den Schnüffelstaat bekämpft wird. Das könnte vor den Wahlen Probleme geben?
Nein. Das Gesetz wird ja auch von ganz rechts bekämpft. Ob auf Ebene Gemeinde, Kanton oder national: Ich schätze solche Diskussionen. Es ist super, dass man anderer Meinung sein kann, konstruktiv kritisiert und sich dann für eine Parole entscheidet. Die SP kann mit inneren Diskussionen sehr gut umgehen. Das hat uns bisher nicht schwächer, sondern stärker gemacht.
Die SP-Fraktion hat der Polizeigesetzrevision im Kantonsrat zum Durchbruch verholfen. Hat Ihre Partei den «Fichenskandal» denn schon vergessen?
(Zögert) Nein, und das Gesetz hat auch nichts mit dem Fichenskandal zu tun. Es geht darum, Verbrechen zu verhindern. So, wie das Gesetz nun ausgestaltet ist, besteht die Garantie, dass es auch mit den umstrittenen Punkten keinen neuen Schnüffelstaat geben wird. Und das wird man den Bürgerinnen und Bürgern auch so erklären müssen. Das Gesetz setzt dort an, wo es Lücken gibt. Dass jedoch vorwiegend junge SPler, aber auch etliche bürgerliche Kritik anbringen, ist legitim.
Zum Thema Steuern: Die bürgerlichen «Jetz si mir draa»-Initianten stehlen der SP die Show. Sie machen sich für die Interessen der «Kleinen» und deren Steuersorgen stark. Was hat die SP verpasst?
Die stehlen uns nicht die Show. Sie nehmen einfach etwas auf, das wir schon lange auf der Agenda haben und wofür wir immer kämpfen. Unser Kanton hat bei der Besteuerung der unteren und mittleren Einkommen tatsächlich ein Steuerproblem – da sind sich alle einig und hier muss etwas gehen. Im Rahmen der zweiten Staf-Vorlage hat man erste Massnahmen ergriffen, die einige tausend Leute bereits entlasten, aber das reicht noch nicht. Es ist zum Beispiel nach wie vor nötig, dass man bei der Prämienverbilligung 100 Prozent ausschöpft.
Und wie wird die SP mit der «Jetz si mir draa»-Initiative umgehen?
Wir werden dazu einen Workshop durchführen, in dem verschiedene Szenarien geprüft werden. Eines davon kann sein, dass die SP-Fraktion im Kantonsrat die Initiative zur Annahme empfiehlt. Damit hätte die Regierung dann zwei Jahre Zeit, eine Vorlage auszuarbeiten, die so gut ist, dass sie den Kanton nicht gleich finanziell ruiniert. Der Schwachpunkt der Initiative ist nämlich die Forderung, dass explizit «alle» entlastet werden müssen. Es kann deshalb durchaus auch sein, dass wir die Initiative bekämpfen, weil sonst die grosse Gefahr besteht, dass man auch die Vermögenden entlastet – und denen geht es im Kanton schon jetzt sehr gut. So, wie die Initiative formuliert ist, könnte praktisch jeder Ja sagen, weil jeder sich etwas versprechen kann. Das ist Schlangenfängerei und das hinterlässt letztlich nur Verlierer.
Die Steuerpolitik wird ein wichtiges Wahlkampfthema der SP sein?
Das ist sie immer! Wir haben noch nie nicht Steuerpolitik betrieben. Wenn wir von Umverteilung sprechen, dann sprechen wir von einem Steuergesetz, das für alle fair ist. Unser Kanton belastet die tieferen Einkommen in einer Weise, die nicht fair ist. Für diese ist der Kanton tatsächlich eine Steuerhölle.
2017 legten Sie um vier Kantonsratssitze auf 23 zu. Was sind die Erwartungen für nächstes Jahr?
Wir haben 2017 die Wahlen gewonnen und da wollen wir andocken. Der Wunsch einer Präsidentin ist immer, dass noch etwas dazu kommt.