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Kanton Solothurn
Wegen eines Pestizides und einer neuen Vorschrift entspricht die Wasserqualität in vielen Gemeinden nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen. Nun fordert der Kanton, dass die Wasserversorger die Probleme selbst lösen. Doch so einfach ist das nicht.
Im Büro von Biberists Gemeindepräsident Stefan Hug-Portmann steht eine Glasflasche auf dem Tisch. Für Hahnenwasser. Nach wie vor trinkt auch er davon. Er sagt aber: «Ich habe beim Trinken ein anderes Gefühl als vorher. Mein Glauben an sauberes, uneingeschränkt verfügbares Trinkwasser wurde infrage gestellt.»
Was war passiert? Im Zentrum steht das Pflanzenschutzmittel Chlorothalonil. Jahrzehntelang haben Bauern den Stoff gegen Pilzbefall eingesetzt, tonnenweise landete er im Boden. Dort zersetzte sich das Mittel und gelangte ins Grund- und damit auch ins Trinkwasser. Von den Behörden wurde Chlorothalonil lange als unbedenklich eingestuft. Bis zu diesem Frühling. Dann nämlich beurteilten zuerst die EU den Stoff neu, später auch die Schweizer Behörden. Beide kamen zum Schluss: Möglicherweise ist er krebserregend. Die Folge: Das Fungizid darf noch mit einer Konzentration von maximal 0,1 Mikrogramm pro Liter im Trinkwasser vorkommen. Nur: Diese Grenze wird in vielen Gemeinden nicht eingehalten. Dasselbe Wasser, das dort seit Jahrzehnten getrunken wird, erfüllt plötzlich die gesetzlichen Anforderungen nicht mehr.
Eine akute Gefahr besteht laut Bund nicht. Dass Chlorothalonil gefährlich sein könnte, lässt sich zwar nicht ausschliessen, aber auch nicht restlos belegen. So schreibt der Bund dann auch: «Konsumenten können Trinkwasser weiterhin konsumieren.» Auch dann, wenn die neuen Grenzwerte nicht eingehalten werden.
Betroffen sind Duzende Gemeinden aus dem Wasseramt und dem Gäu. Welche und wie viele genau, kommuniziert der Kanton nicht. Das müssen die einzelnen Wasserversorger selber tun. Auch sonst überlässt der Kanton die Kommunikation den Versorgern. Diese liege in ihrer Verantwortung, wird argumentiert. Dieses Vorgehen kommt nicht überall gut an. Zum Beispiel in Biberist, einer der betroffenen Gemeinden. «Wir haben ein gemeinsames Problem, ich würde mir wünschen, dass man auch gemeinsam kommunizieren würde», sagt Hug-Portmann.
Der Wunsch nach gemeinsamer Kommunikation hat auch damit zu tun, dass das Problem kurzfristig gar nicht gelöst werden kann. Denn eine technische Lösung wäre sehr aufwendig. Wasser einfach abzukochen, bringt nichts. Die Stoffe herauszufiltern, ist zwar möglich, aber so komplex, dass es auch entsprechend teuer wäre. «Wir sind dran, können das Problem auf die Schnelle aber nicht lösen», so Hug-Portmann.
Gelöst werden müssen die Probleme aber. Das haben Bund und Kanton den Wasserversorgern auferlegt. Bis Ende Oktober müssen diese darlegen, wie sie das Problem in den nächsten zwei Jahren beheben wollen. Das Zauberwort wird lauten: Mischen. Die betroffenen Wasserversorger werden Wasser einkaufen müssen, damit die eigenen Vorräte verdünnen, bis die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden.
Nur: Im Wasseramt und im Gäu haben fast alle Gemeinden dasselbe Problem. Es ist nicht möglich, einfach Wasser von der Nachbarsgemeinde zu beziehen. Das heisst, das Wasser wird teilweise von weither geholt werden müssen. Solche Leitungen gibt es zum Teil zwar schon, aber noch nicht überall. Und wenn noch neue Leitungen geplant, bewilligt und gebaut werden müssen, ist das Zeitfenster von zwei Jahren ein enges. Ganz abgesehen davon, dass sowohl neue Leitungen wie auch der Zukauf von Wasser während Monaten nicht gratis sind. Doch taucht keine andere Lösung auf, werden neue Leitungen wohl unumgänglich sein. Das weiss man auch beim Kanton: «Die zeitlichen Vorgaben sind tatsächlich anspruchsvoll», sagt Kantonschemiker Martin Kohler. Aber: «Die Konsumenten haben ein Recht darauf, dass das Trinkwasser alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt.»
Das Thema hat auch die Politik erreicht. Die Fraktion SP/junge SP hat eine Interpellation eingereicht. Darin wollen sie von der Regierung unter anderem wissen, wie viele Wasserversorger wegen Pestiziden Probleme haben und was für Massnahmen angedacht sind. Ausserdem wollen sie wissen: «Ist der Regierungsrat auch der Meinung, dass es selbst in der Schweiz immer schwieriger wird, der Bevölkerung auch in Zukunft genügend Trinkwasser in bester Qualität zur Verfügung zu stellen?» Die Beantwortung dieser Fragen steht noch aus.
Und auch Bundesbern beschäftigt sich mit der Problematik. Dort geht es um die Frage, ob Chlorothalonil verboten werden soll. Die entsprechenden Hebel wurden in Bewegung gesetzt. Vorausgesetzt, es gibt keinen Widerstand, könnte der Stoff bereits dieses Jahr verboten werden. Für Hug-Portmann ist klar: «Wir müssen zu unseren natürlichen Ressourcen Sorge tragen. Denn dieser Fall zeigt, man kann nicht einfach davon ausgehen, sauberes Wasser zu haben, ohne etwas dafür zu tun.»