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Kanton Solothurn
Seit Montag steht der Behördenschreck Kuno W. vor Solothurner Obergericht - unter anderem, weil er 2016 einen Richter gebissen hat. Am Dienstag erzielte die Verteidigung einen Zwischensieg: Das Gericht entscheid, dass ein neues Gutachten zum "Richterbeisser" eingeholt werden soll.
Der Berufungsprozess gegen Kuno W. ist – zumindest vorerst – auf Eis gelegt: Die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn hat am Dienstag entschieden, dass zum «Richterbeisser» und Behördenschreck ein neues psychiatrisch-forensisches Gutachten einzuholen sei. Verteidiger Daniel Walder hatte vor Gericht erfolgreich damit argumentiert, dass das auf blosses Aktenstudium des Experten beruhende Gutachten der komplexen Persönlichkeit von Kuno W. «nicht gerecht» werde und deshalb als Entscheidungsgrundlage «völlig unzureichend» sei.
«Das Gutachten ist in formeller und materieller Hinsicht mangelhaft», geisselte der Anwalt etwa das Fehlen eines Aktenverzeichnisses, vor allem aber die Tatsache, dass der Gutachter einfach ein Aktengutachten erstellt habe, nachdem Kuno W. sich einer ersten persönlichen Exploration verweigert hatte. Aktengutachten seien aber nur in Ausnahmefällen zulässig.
«Klar ist es nicht immer einfach, mit Kuno W. ein Gespräch zu führen», räumte der Anwalt ein. «Aber als Experte muss man es tun – oder dann halt einen anderen Fachmann bestimmen lassen». So aber seien «dem Beschuldigten das rechtliche Gehör verweigert und dessen Mitwirkungsrechte verletzt» worden. Walder: «Man muss die Software von Kuno W. verstehen – dafür aber muss man auch seine Vorgeschichte kennen und berücksichtigen.»
So etwa die «traumatisierenden Erfahrungen als Behördenopfer». Behörden, die ihn unter Vormundschaft gestellt, ihm den Sohn entzogen und das Haus verkauft hätten: «Kuno W. hat 14 Jahre lang als Entmündigter gelebt. Sein Handeln von heute ist nur in Kenntnis der ganzen Vorgeschichte nachvollziehbar», argumentierte Walder weiter: «Er war gezwungen, eigene Methoden zu finden, sich gegen die Behörden zu wehren.» Ein neues Gutachten sei nicht zuletzt auch als Voraussetzung zur Beurteilung der Schuldfähigkeit von Kuno W. zwingend.
Staatsanwältin Kerstin von Arx räumte in der Verhandlung ein, dass das vorliegende Gutachten «gewisse Mängel» aufweise, wehrte sich aber gegen eine pauschale Rückweisung. So sei insbesondere die Frage der Schuldfähigkeit vom Experten sehr wohl geklärt und ausreichend beantwortet worden. Staatsanwältin von Arx beantragte dem Gericht, den Antrag für ein neues Gutachten abzuweisen.
Im Gegensatz zur Vorinstanz folgte das Obergericht nach geheimer Beratung der Argumentation der Verteidigung. Als vorsitzender Richter machte Stefan Altermatt deutlich, dass insbesondere «die Problematik der Schuldfähigkeit aus dem vorliegenden Gutachten zu wenig differenziert hervorgeht». Auch auf die Vorgeschichte von Kuno W. müsse gebührend eingegangen werden.
Das Richtergremium – Stefan Altermatt, Barbara Hunkeler und Barbara Streit-Kofmel – präsentierte auch gleich eine mögliche neue Gutachterin. Bis Ende Woche kann die Verteidigung dem Gericht mitteilen, ob sie mit dieser einverstanden ist. Laut Altermatt ist für die Erstellung des neuen Gutachtens mit einem Zeithorizont von 6 Monaten zu rechnen.
Direkt an Kuno W. gewandt machte der Gerichtspräsident klar, dass von diesem erwartet werde, dass er sich für eine persönliche Exploration kooperativ zeige. Ebenso sei gegeben, dass die Ersatzmassnahmen gegenüber Kuno W. aufrechterhalten bleiben. Will heissen, dessen Unterbringung auf dem Hof einer Familie im Berner Jura. Beides quittierte Kuno W. mit einem Nicken.
Auch zum zweiten Verhandlungstag erschien Kuno W. verspätet: Diesmal aber nicht absichtlich, sondern wegen Anreiseproblemen mit dem öV. Das Gericht bewies bei der Befragung des erklärten «Asperger»- Patienten Geduld. Zu einzelnen Vorhalten, etwa der Beschimpfung und sexuellen Belästigung einer ehemaligen Staatsanwältin, gab er sich zugeknöpft und berief sich auch auf sein «Recht auf freie Meinungsäusserung». Um so mehr geriet er in Fahrt, als es um seinen Hund ging, der ihm entzogen und dann «verschachert» worden sei; oder beim Thema «Scheinwaffen», von deren einer er sich nur trennen lassen will, wenn diese in die Sammlung der Kantonspolizei aufgenommen wird.