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Kanton Solothurn
Ein kantonaler Rückblick auf das Jahr 2017.
Der Verlust des einen von zwei Regierungssitzen stellte für die Solothurner Freisinnigen einen weiteren herben Rückschlag dar: Vor sechs Jahren war der Wegfall des Ständeratssitzes zu beklagen gewesen; vor zwei Jahren dann der eines Nationalratsmandates, und bei den Gesamterneuerungswahlen 2017 kam nun auch noch das Scheitern von Regierungsratskandidatin Marianne Meister hinzu.
Tiefer kann der Besitzstand der FDP fast nicht mehr sinken. Jener Partei notabene, dere liberale Gründerväter dem Staat Solothurn einst Pate standen und deren Vertreter die kantonale Politik über viele Jahrzehnte hinweg geprägt haben – bis 1952 sogar noch mit der Mehrheit von drei von fünf Regierungsmitgliedern.
Zu einseitig für Wählerschaft
Dass die FDP-Regierungsratskandidatin im zweiten Wahlgang vom 23. April das Nachsehen hatte, lag sicher einmal an Marianne Meister selber: Sie hatte sich schon bei den Ständeratswahlen 2015 als (letztlich gescheiterte) Kandidatin explizit und einseitig als Gewerbevertreterin positioniert. Nun vermochte sie trotz grösster Anstrengungen nicht mehr glaubwürdig zu vermitteln, dass sie über einen breiteren Interessenfächer verfügt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Kandidatin deshalb auch in Teilen der FDP-Basis nur halbherzig oder eben gar nicht unterstützt worden war.
Für den Solothurner Politologen Lukas Golder ist Meisters Scheitern aber auch Konsequenz des akzentuiert bürgerlichen Profils, das sich die FDP in letzter Zeit gegeben habe. «In dieses Profil passte Meister, aber sie repräsentiert nicht mehr eine klassische, parteiübergreifend akzeptierte Kandidatur wie etwa Remo Ankli», analysierte Politologe Golder in einem Interview mit dieser Zeitung nach dem Wahlgang. Und: «Je pointierter eine Partei auftritt, umso kleiner sind die Chancen.»
Bürgerliche nicht geschlossen
Doch auch andere Faktoren spielten eine Rolle: Weil die drei erneut antretenden Bisherigen – Remo Ankli (FDP), Roland Fürst und Roland Heim (beide CVP) – bereits im ersten Wahlgang vom 12. März wiedergewählt wurden, war das Rennen um die beiden weiteren Sitze völlig offen. Weil die bürgerliche Geschlossenheit fehlte, reüssierten am Ende mit Susanne Schaffner (SP) und Brigit Wyss (Grüne) die links-grünen Frauen. Dazu trug bei, dass grosse Teile der SVP-Basis über die FDP verärgert waren: Diese habe schliesslich den SVP-Bewerbern in früheren Wahlgängen die Unterstützung auch verweigert. Letztlich votierten auch viele CVP-Wählerinnen und -Wähler – sofern sie überhaupt für den zweiten Wahlgang noch zur Urne gingen – im Zweifel eher für Wyss und Schaffner.
Bewegung im einst Festgefügten
Durchaus nicht auszuschliessen, dass die einst in Stein gemeisselte Sitzverteilung im Regierungsrat bereits 2021 wieder ändern wird: Selbst die «grossen» Parteien im Kanton sind heute nicht mehr gross genug dafür, «ihre» Regierungssitze alleine ins Trockene zu bringen. Deshalb werden die Exekutivwahlgänge erst recht immer mehr zu Persönlichkeitswahlen. Je nachdem, ob es der SVP endlich einmal gelingt, eine valable Kandidatur zu präsentieren und ob FDP und SVP (eventuell sogar zusammen mit der CVP?) ein bürgerliches «Päckli» schnüren, könnte es für die Wiederwahl von Brigit Wyss (Grüne) in vier Jahren knapp werden. Andersrum könnte durchaus auch der CVP – nach dem Rücktritt eines Bisherigen – dannzumal der Verlust eines Regierungssitzes blühen. Denn deren zwei Mandate stehen klar in einem Missverhältnis zur effektiven Parteistärke.
«Linksrutsch» ist ausgeblieben
Und wie hat die dreifache Premiere dieses Wahljahres die Solothurner Politiklandschaft verändert? Ins Auge springt (bisher) nur die Tatsache, dass neu zwei Frauen von den gemeinsamen Regierungsfotos lächeln. Gemäss allseitigem Bekunden haben sich die zwei Frauen gut ins Regierungsteam eingefügt, alle Beteiligten loben das konstruktive Teamwork. Die links-grüne Doppelvertretung hat bisher auch kaum zu gegen aussen spür- und sichtbaren Kurskorrekturen geführt. Geschweige denn zu einem «Linksrutsch», den linke Exponenten erhofft – und rechte Politiker als Teufel an die Wand gemalt hatten. Schliesslich stehen Wyss und Schaffner nach wie vor drei bürgerlichen Mitgliedern gegenüber, die den Kurs notfalls per Mehrheitsbeschluss bestimmen können. Ganz zu schweigen vom auch nach den Wahlen 2017 klar bürgerlich dominierten Parlament.
Es gibt keinen Anlass zur Euphorie, aber Grund zur Zuversicht. Etwa so lässt sich die Stimmungslage in der Solothurner Wirtschaft im auslaufenden und für das bevorstehende Jahr zusammenfassen.
Im Mai wartete die Bauwirtschaft mit imposanten Zahlen auf: Nach zwei rückläufigen Jahren hatte die Solothurner Bauwirtschaft im vergangenen Jahr einen Rekordumsatz von 460 Millionen erwirtschaftet. Eine Positivmeldung, auch wenn sich die Bauunternehmen für 2017 aufgrund der Auftragseingänge und Arbeitsvorräte wieder auf etwas tiefere Umsätze einstellen mussten. Die Solothurner Wirtschaft sei «nach den schwierigen Jahren auf dem Weg der Erholung», meldete dann im September auch das Treuhand- und Beratungsunternehmen BDO, wo man einen tiefen Einblick in die Geschäftsbücher von Tausenden KMU hat. Sehr viele Firmen hätten sich nach dem Frankenschock überraschend gut gehalten, die Ertragslage entspanne sich wieder, so der Tenor der Analyse. Und im Oktober zeigt ein Blick in die Statistik auch Anzeichen für einen nachhaltigen Wachstumstrend in der Exportindustrie. In den ersten drei Quartalen wurden Waren im Wert von rund 4 Milliarden Franken aus dem Kanton Solothurn exportiert. Das entspricht einem Wachstum von 3,2 Prozent, die Zahlen lagen erstmals wieder über dem Wert von vor dem Frankenschock 2015.
Einzelne Highlights im alles in allem zufriedenstellend verlaufenen Wirtschaftsjahr: Das Traditionsunternehmen Jura verkaufte so viele Kaffee-Vollautomaten wie noch nie und vermeldet im März einen Rekordgewinn. Im Mai gibt der Bellacher Busbauer Hess bekannt, dass er einen weiteren Prestigeauftrag an Land ziehen konnte: Die Stadt Bern hat fünf Elektrobusse «made in Bellach» bestellt. Wenige Tage später wartet das Medtech-Unternehmen Ypsomed mit einer guten Nachricht auf: Am Standort Solothurn werden im laufenden Jahr noch einmal 25 Millionen in den Ausbau investiert. Und im September wird bekannt, dass der Biotechnologiekonzern Biogen in Luterbach nicht 400, sondern sogar 600 neue Arbeitsplätze schafft.
«Leuchttürme» fallen
Die Ansiedlung des US-Riesen Biogen auf dem Gelände der ehemaligen Cellulosefabrik in Luterbach war der grösste Erfolg für den Industriestandort Solothurn der letzten Jahre. Dass es auch fatal sein kann, wenn die Geschicke der lokalen Wirtschaft in den Händen eines Weltkonzerns liegen, musste man dieses Jahr in Egerkingen schmerzhaft erfahren: Die Egerkinger Galderma Spirig mit ihrer bekannten Daylong Sonnencreme galt lange als Vorzeigebetrieb. Ende August gibt der Mutterkonzern Nestlé bekannt, dass die Produktion in Egerkingen bis Ende 2018 geschlossen wird. 190 Angestellte verlieren ihren Job. Die Produktion soll nach Frankreich und Kanada verlagert werden. Das Verkaufsbüro für die Schweiz und die Abteilung Consumer Business ziehen nach Zürich und in den Kanton Waadt um. Die Produktionsanlagen in Egerkingen sind nicht ausgelastet, andernorts sind Kapazitäten frei, so schnell geht das. Beim Kanton beklagt man den Verlust eines «Leuchtturms in der Solothurner Wirtschaft», aber mehr als «mit Nachdruck einen grosszügigen Sozialplan fordern» kann die neue Volkswirtschaftsdirektorin Brigit Wyss, die eben ihr Amt angetreten hat, auch nicht.
Spirig ist nicht das einzige Traditionsunternehmen, das dem Kanton den Rücken kehrt. Bis heute kennt fast jedermann den Werbeslogan «Me hett de Wernli eifach gernli» aus den 1970-er Jahren, mit dem die Trimbacher Biscuit-Fabrikanten einst zum Marktführer avancierten. Nicht mehr so gernli hat man in Trimbach wohl die Luzerner Hug-Gruppe, die Wernli 2008 übernommen hatte: Das Unternehmen meldet im Juni, dass es den Standort Trimbach aufgibt und die Gebäckproduktion bis spätestens 2021 am Hauptsitz in Malters zusammenfassen will.
Immerhin: Der Konzentration sollen nicht mehr als rund 15 der insgesamt 340 Vollzeitstellen in Malters und Trimbach zum Opfer fallen. In Trimbach sind 126 Vollzeitstellen betroffen. Man wolle möglichst viele Mitarbeitende in Malters weiter beschäftigen, heisst es bei Hug.
Es war ein Paukenschlag, eine Ankündigung, die jeglicher politischer Logik widersprach: Ende März meldete die SVP Amteipartei Bucheggberg-Wasseramt, dass sie im zweiten Wahlgang der Regierungsratswahlen nicht etwa die ihr politisch nahestehende Bucheggberger FDP-Frau Marianne Meister unterstützt, sondern die beiden linken Kandidatinnen Susanne Schaffner und Brigit Wyss. Diese Ankündigung nährte nicht nur Zweifel, ob die FDP auf die richtige Kandidatin gesetzt hatte. Das Ausscheren zeigte vor allem: In der SVP kann etwas nicht mehr im Lot sein.
Das verschärfte den Druck auf Parteipräsident Silvio Jeker, der bereits bei den Kantonsratswahlen die Parteiziele nicht erreicht hatte: Statt erhoffter Sitzgewinne gab es einen Verlust.
Plötzlich quasi führungslos
Hinzu kam: Auch mit Regierungsratskandidat Manfred Küng hatte die Partei aufs falsche Pferd gesetzt. Für die Verluste musste Jeker nun seinen Kopf hinhalten. Erst recht als Walter Gurtner, einflussreicher Amteiparteipräsident von Olten-Gösgen, noch öffentlich verkündete: «Der Auftrag wurde klar nicht erfüllt» und damit ansprach, dass die Parteileitung um Jeker die FDP-Regierungsratskandidatin ohne erkennbare Gegenleistung unterstützt wurde. Die Kritik prallte am Schwarzbuben Jeker nicht einfach ab. Am Ende schmiss er als Präsident hin und mit ihm traten gleich noch mehrere Vorstandsmitglieder ab. Dass unter Jeker bei den Nationalratswahlen 2015 ein ausgezeichnetes Resultat geholt wurde, wurde da schon mal vergessen.
In einer Interimsphase leiteten die Nationalräte Walter Wobmann und Christian Imark die Partei. Am Ende übernahm Imark, dem länger schon Machtgelüste angedichtet worden waren, alleine.
Ein Thema bewegte die Solothurner Politlandschaft Anfang 2017 fast noch stärker als die kantonalen Wahlen: die Unternehmenssteuerreform III. Im Kanton Solothurn warf vor allem eine Frage Wellen: Wie sollen die Steuerausfälle für die Gemeinden kompensiert werden? Die Regierung schwieg zu diesem heiklen Punkt beharrlich. Erst nach der konkreten Abstimmung wollte sie Details bekannt geben. Doch dies sorgte für eine für die Vorlage fatale Verunsicherung - und löste Widerstand aus. Am Ende übten gar bürgerliche Kirchenkreise öffentlich Zweifel, da sie grosse Einnahmenverluste für die Kirchgemeinden fürchteten.
In letzter Minute versuchte der Einwohnergemeindeverband einen Befreiungsschlag. Dort hatte Präsident Kuno Tschumi die drohende Niederlage erkannt. Kurzerhand überrumpelte er die Regierung und veröffentlichte deren Pläne. Das politische Gesellenstück konnte die Wende allerdings nicht mehr bringen. Die Solothurner lehnten die Reform mit 66 Prozent ab, deutlicher als der nationale Schnitt. Später sagt Finanzdirektor Roland Heim: «Wir müssen künftig deutlicher zeigen, welche Konsequenzen eine Steuerreform auf Kanton und Gemeinden hat.»
Das Jahr war noch jung, als ein Aufatmen durch den Kanton Solothurn ging. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) entschied im Februar, dass der Weissensteintunnel zwischen Oberdorf und Gänsbrunnen für 85 Millionen Franken saniert werden soll. Damit kann er weitere 25 Jahre betrieben werden. Das Geld für die Sanierung kommt aus dem nationalen Bahninfrastrukturfonds. Die Bahnlinie Solothurn–Moutier ist dank des Entscheids ebenfalls gerettet. Nach einem langen Hickhack gab das BAV dafür grünes Licht.
Selbstverständlich ist das nicht. Auch wenn der Solothurner Baudirektor Roland Fürst (CVP) stets betonte, dass «nur diese eine Lösung möglich ist»: Der Beschluss des BAV ritzt am herrschenden Spardiktat. Die Kosten der Linie konnten in den vergangenen Jahren jeweils nicht einmal zu einem Viertel gedeckt werden. Tatsächlich verhehlte das BAV erst gar nicht, dass die Investition wirtschaftlich eigentlich nicht gerechtfertigt ist. Doch man gewichte die Anliegen der Regionen im Einzugsgebiet höher als ökonomische Überlegungen.
Wie umstritten das Ganze ist, zeigte auch ein brisantes Papier, das diese Zeitung publik machte: Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) kritisierte den Sanierungsentscheid eindringlich und warnte vor Ausfällen in Millionenhöhe. «Wir vertreten die Meinung, dass dieses Geschäft einer politischen Neubeurteilung zugeführt werden sollte», sagte EFK-Direktor Michel Huissoud.
Den Bedenken zum Trotz: Im Dezember startete die Linienbetreiberin BLS das eisenbahnrechtliche Plangenehmigungsverfahren. Die Pläne für das eineinhalb Jahre dauernde Bauprojekt werden noch bis zum 18. Januar in Oberdorf und Gänsbrunnen öffentlich aufgelegt. Der Start der Sanierung ist im Juni 2020 geplant.
Rekord-Durchstich am Belchen
Ebenso erfreuliche Nachrichten gab es zu einem anderen Tunnel – auf der Strasse. Am 21. Juni, Punkt 14.43 Uhr, konnte die Sanierungsröhre durch den Belchen auf der A2 am Nordportal durschlagen werden. 72 Wochen nach dem Andrehen am Südportal bei Hägendorf hat die grösste je in der Schweiz eingesetzte Tunnelbohrmaschine mit dem Durchstich Eptingen in Baselland erreicht.
Seit Februar 2016 frass sich die Maschine rund 3,2 Kilometer durch den Berg. Der Durchstich erfolgte drei Monate früher als erwartet. Die dritte Röhre am Blechen soll 2021 in Betrieb gehen, damit die bestehenden Tunnelröhren saniert werden können.