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Auf ein Kaffee mit... Urs Frei aus Zuchwil, Präsident des Schweizerischen Hängegleiter-Verbandes.
Auf der Innenseite von Urs Freis Helm steht ein Spruch. Er lautet: «Warum fliegst du heute?» Jedes Mal, wenn der 53-Jährige am Gleitschirm-Startplatz steht, setzt er sich ein Ziel. Das diene der mentalen Vorbereitung, erklärt Frei:
«Ich weiss nie, was danach passieren wird. Jeder Flug ist anders.»
Seinen persönlichen Rekordflug von 120 Kilometern hatte Frei nicht geplant, doch er verlangte ihm höchste Konzentration ab. Ein andermal, in Spanien, startete Frei von einem Hügel über dem Meer und der Seewind trug ihn praktisch ohne eigenes Zutun in den Sonnenuntergang. «Das war Tiefenentspannung», erinnert sich Frei. Unerwartete Glücksgefühle; danach ein Bier mit der Gruppe am Strand, die gute Gesellschaft: Das sind einige der Gründe, warum Urs Frei von der Fliegerei fasziniert ist.
Seit drei Jahren ist Urs Frei Präsident des Schweizerischen Hängegleiter-Verbandes mit knapp 19 000 Gleitschirm- und Deltapiloten, davon 433 aus dem Kanton Solothurn. Die Flieger-Szene ist deutlich in Männerhand: Nur 13 Prozent der Mitglieder sind Frauen, auch wenn der Schweizer Verband mit dem jährlich stattfindenden Frauenflugfest eine weltweit einzigartige Initiative unterstützt. Bis Ende 2021 präsidiert Frei zusätzlich auch noch den Europäischen Verband, die European Hang Gliding and Paragliding Union. Dazu gehören rund 140 000 Piloten und Pilotinnen aus 19 Ländern.
Europa, Asien, Afrika, Nordamerika: Frei kennt die meisten Kontinente von oben. «Ich liebe es, den Überblick zu haben», sagt er über sich selbst. Mit der Luft habe sich ihm eine neue Dimension erschlossen. Was ihn immer wieder von neuem überrascht, sind die unsichtbare Dynamik der Luft und die Geruchswelt: «500 Meter über einer Feuerstelle kann ich die Cervelats riechen», sagt Frei lachend. Oder er wird von einer Pollenwolke über und über gelb eingefärbt.
Früh zeigte sich bei im die Leidenschaft für die Fliegerei: Es gibt ein Foto von Urs Frei als vierjährigen Buben, wie er am Flugplatz Dittingen BL in einem Segelflugzeug sass. Als junger Mann las er Ende der 80er-Jahre Zeitungsberichte über Männer, die im Bündnerland mit den ersten Gleitschirmen experimentierten. «Damals versuchte man, auf Skis mit adaptierten Fallschirmen zu starten», erzählt Frei. Nur kurze Zeit später begann einer seiner Freunde mit dem Fliegen, und als Frei ihn begleitete und sah, wie sie von den steilen Hängen herunterflogen, war es um ihn geschehen. 1989, mit 22 Jahren, startete er im Engelbergertal seine eigene Flugkarriere.
Die Gleitschirmfliegerei befand sich damals noch in den Kinderschuhen. Die sogenannte Gleitzahl der damaligen Schirme betrug 1:3 - das bedeutet, dass man pro Meter Höhenverlust drei Meter nach vorne gewann. «Diese Art des Fliegens nannte man Eins zu Stein», berichtet Frei lachend. Die heutigen, technisch ausgefeilten Schirme haben eine Gleitzahl von 1:12.
Für Urs Frei ist Fliegen nicht nur das schönste Hobby, sondern auch eine Lebensschule. Im Berufsleben, wo er auch wechselhafte Zeiten erlebte, waren ihm die Erkenntnisse aus der Fliegerei oft hilfreich: «Ruhig bleiben, wenn man die Thermik nicht gleich findet; konzentriert bleiben, bis man fest auf dem Boden steht; nicht drauflosstürzen, wenn man im Aufstieg ist, sondern die maximale Höhe mitnehmen», zählt Frei auf. Nun arbeitet er als Leiter Kommunikation und Publishing beim Bundesamt für Statistik.
So schön das Fliegen ist: Es hat auch seine Tücken. Das hat Urs Frei am eigenen Leib erlebt: «Einmal wurde ich in der Luft von einem Raubvogel attackiert.» Weil Vögel den Schirm zwar beschädigen, aber nicht zum Absturz bringen können, ist Frei mit dem Schrecken davongekommen. Seither meidet er die Stelle, um den Vogel nicht zu stören.
Doch Frei hat auch noch heiklere Situationen erlebt. Gleich auf seinem ersten Thermikflug geriet er in Wengen wegen Turbulenzen zu nahe an die Felswand. «Ich wollte es zu sehr ausreizen», sagt Frei selbstkritisch. Ein andermal landete er unsanft in einem Schneefeld, weil er zu lange mit dem Öffnen des Notschirms gewartet hatte.
Dass mit dem Weissenstein ein Gleitschirm-Paradies vor der Haustür liegt, war ein mitentscheidender Grund, dass Urs Frei vor zwei Monaten nach Zuchwil gezogen ist. So spart er lange Fahrwege: Wenn Frei vom Weissenstein fliegt, kann er im Feld neben seinem Wohnblock landen - keine 100 Meter von der Haustür entfernt. Aufpassen muss er dabei nur, dass er nicht in den Luftraum des Flughafens Grenchen gerät.
So sieht der Weissenstein aus der Vogelperspektive aus: