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Kanton Solothurn
Der Kanton Solothurn gewährt seinen Angestellten nur zwei Tage Vaterschaftsurlaub und hinkt damit national hinterher.
Wie familienfreundlich ist die Schweiz? Zumindest was den Vaterschaftsurlaub angeht, hat das Land noch grossen Nachholbedarf. Ein frischgebackener Vater hat gesetzlich gerade einmal Anspruch auf einen freien Tag – gleich viel wie für den Wohnungsumzug.
Für Eltern ist eine gemeinsame Auszeit in den ersten Wochen ihres Neugeborenen ohne finanzielle Einbussen kaum möglich. Das soll sich ändern, verlangt die eidgenössische Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub». Eine Allianz aus 140 Organisationen hat 120'000 Unterschriften für das Anliegen gesammelt. In der kommenden Woche wird sie ihre Initiative (siehe Kontext) bei der Bundeskanzlei einreichen.
Bis die Initiative an die Urne kommt, dürften noch Jahre vergehen. Unabhängig davon wird ein bezahlter Vaterschaftsurlaub für immer mehr Arbeitgeber selbstverständlich. Ihre Angestellten profitieren von weitgehenden Regelungen. Als besonders fortschrittlich erweist sich dabei die öffentliche Hand, wie eine Erhebung des Gewerkschaftsverbands Travail Suisse zeigt.
Für den Kanton Solothurn gilt diese Feststellung jedoch nicht: Die Verwaltung schenkt frischgebackenen Vätern lediglich zwei zusätzliche Ferientage. Weniger sind es nur noch in Obwalden, wo das gesetzliche Minimum von einem Tag gilt.
Die Mehrheit der Kantone hat den Vaterschaftsurlaub unterdessen auf fünf Tage festgesetzt. In manchen Kantonen, darunter Bern, Genf und Wallis, sind es sogar zehn Tage. Diese Regelung gilt auch bei der Bundesverwaltung. Spitzenreiter unter den Kantonen ist der Jura, der einen Vaterschaftsurlaub von zwölf Tagen gewährt.
Ebenso wenig profitieren Kantonsangestellte im Solothurnischen von der Möglichkeit einer zumindest teilweise gewährten Elternzeit. Einzelne Kantone erlauben es nämlich, zusätzliche Ferientage von der Mutter auf den Vater zu übertragen.
Warum hinkt Solothurn hinterher? Der Regierungsrat war bislang stets gegen einen längeren Vaterschaftsurlaub. Und entsprechende Anläufe haben es eben schwer, wenn sie nicht von oberster Stelle unterstützt werden.
Schon bei den Verhandlungen über den einheitlichen Gesamtarbeitsvertrag, der im Jahr 2005 eingeführt worden ist, wünschten sich die Vertreter der Arbeitnehmer erfolglos einen Vaterschaftsurlaub von fünf Tagen. Der Staatspersonalverband habe diese Forderung noch immer auf seiner Prioritätenliste, sagt dessen Vizepräsidentin Corinne Saner. «Zwei Tage sind ganz klar zu wenig, und selbst fünf Tage wären aus heutiger Sicht wohl nur ein Anfang.» Deshalb ortet Saner grossen Nachholbedarf.
Dieser Ansicht ist auch Simon Bürki. Im interkantonalen Vergleich sei Solothurn unterdurchschnittlich positioniert, findet der Biberister SP-Kantonsrat. Im Jahr 2012 lancierte er deshalb die Idee eines fünftägigen Vaterschaftsurlaubs auf dem politischen Parkett. Für die Regierung war eine Erhöhung damals angesichts von Sparmassnahmen nicht opportun. In ihrer Antwort auf einen Vorstoss von Bürki musste sie jedoch immerhin einräumen: Mehr Vaterschaftsurlaub könnte «besonderen Betreuungsbedürfnissen» zugutekommen.
Dass ein längerer Vaterschaftsurlaub zur Gleichberechtigung der Geschlechter beiträgt und nicht nur «besonderen Betreuungsbedürfnissen» entspricht, ist mittlerweile Konsens in vielen Amtsstuben im Land. Letztlich gehe es darum, sich als familienfreundlichen Arbeitgeber zu positionieren, ist Saner vom Staatspersonalverband überzeugt.
Mehrere Kantone haben ihre Regeln erst kürzlich angepasst. Wer etwa beim Kanton Bern arbeitet und Vater wird, kann heute zehn Tage lang zu Hause bleiben. Bis vor zwei Jahren waren es zwei Tage. Und selbst der konservative Kanton Appenzell Innerrhoden hat die Anzahl der Tage im vergangenen Jahr von zwei auf fünf erhöht.
Saner ist denn auch überzeugt, dass eine längere Auszeit für Papis im Kanton Solothurn bald wieder zum Thema werden wird – sollte das Schweizer Stimmvolk nicht zuvorkommen und an der Urne für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub stimmen.
Die eidgenössische Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub» wird nächste Woche bei der Bundeskanzlei eingereicht. Lanciert wurde sie vom Gewerkschaftsverband Travail Suisse, von Verbänden für Gleichberechtigungsanliegen und von Pro Familia Schweiz.
Der Allianz sind 140 Organisationen angeschlossen, eigenen Angaben zufolge hat sie innert eines Jahres 120'000 Unterschriften gesammelt. Die Initiative fordert einen Vaterschaftsurlaub von 20 Tagen. Dieser müsste, anders als der 14 Wochen lange Mutterschaftsurlaub, aber nicht am Stück bezogen werden.
Laut den Initianten ist der Vaterschaftsurlaub über die Erwerbsausfallentschädigung zu finanzieren, bezahlt wird er solidarisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Sämtliche Anläufe für einen Vaterschaftsurlaub auf nationaler Ebene scheiterten bisher.
Allein in den vergangenen zehn Jahren hat das eidgenössische Parlament über 30 Vorstösse zu dem Thema abgelehnt. Zuletzt im Frühling 2016, als eine parlamentarische Initiative des Bündner CVP-Nationalrats Martin Candinas im Ständerat keine Mehrheit fand.
Heute kann ein Vater bei der Geburt seines Kindes nur im Rahmen eines «üblichen freien Tags» den Anspruch auf einen eintägigen Urlaub geltend machen. Ein solcher ist für persönliche Angelegenheiten reserviert, also auch für Arztbesuche oder den Wohnungsumzug.
Unabhängig davon bieten zahlreiche Firmen jedoch freiwillig einen längeren Vaterschaftsurlaub. Das verdeutlicht ein Bericht des Bundesrats: 228'000 Angestellte profitieren von einem Gesamtarbeitsvertrag, der einen Vaterschaftsurlaub von bis zu 15 Tagen vorsieht.
Weitere 161'000 Angestellte können sogar einen sogenannten Elternurlaub beziehen. Hinzu kommen zahlreiche Unternehmen, die ebenfalls weitergehende Regelungen getroffen haben.
Im europäischen Ausland hat sich derweil längst der Elternurlaub etabliert. Die EU verpflichtet ihre Mitglieder, pro Elternteil mindestens einen Urlaub von vier Monaten einzuführen. Maximal drei Monate können vom einen zum anderen Elternteil übertragen werden. (sva)