«Where you’re from?» fragt Mann an der Bar. «Switzerland.» «Oh. Ihr habt jüngst das Frauenstimmrecht eingeführt.» Hoffnungsvoller Fehlstart in einer Kleinbrauerei, einem der raren «places to be» der Hafenstadt Prince Rupert. Ja, die Schweizer brauchten Zeit für diesen Schritt. «Sind bald 50 Jahre seither», sage ich, und er: «Nicht zwei, drei?» Kopfschütteln.
Sein Nachbar meint: «Ohne Kanada wäre die Welt nichts.» «Why?» «Alle wichtigen Erfindungen sind von uns.» Interessant, denke ich. Und woher kommen die Kanadier? Sagen tu ich: «Bezüglich Sonnenenergie seid ihr im Hintertreffen.» Ein Fehler. Bald glitt mir der Boden unter den Füssen weg – wie die Woche zuvor auf einem Fischerboot auf Haida Gwaii, einer Inselgruppe, wovon auch viele Kanadier nichts wissen. Als Dank für viel Freiwilligenarbeit luden die Gastgeberinnen zum Fischen ein.
Klingt simpler, als es war, weil viel warten, da Wetter entscheidend. Und da Klimawandel manchenorts wahrer, werden alte Wetterregeln jäh zu Makulatur. Ich freute mich riesig. Bis ich seekrank wurde. Horizont fixieren war keine Devise mehr, drum lag ich. Stets wenn die Gastgeberin «fish!» rief, juckte ich auf und torkelte zur Angelrute in der Hoffnung, Fisch sei schneller an Bord denn Magensaft drüber. Auf die Leine fokussierend kurbelte ich mit weichen Knie und schrie stumm: «Wo bleibt das Tier?» Da zog es – man ahnte Lachs – an der Schnur. Folglich gab ich ihm Raum, begann sobald angesagt erneut zu kurbeln und dachte, das nimmt kein Ende! Weit draussen sprang ein beachtlicher Fisch und mir entfuhr ein «Oh!» «That’s your fish», sagte die Gastgeberin. Bitte nicht, bat ich, zu weit, das schaff ich nicht. Arm lahmt. Magen rebelliert. Ein übler innerer Kampf – wie in der Brauerei. Dank längerer Medienabstinenz. Nicht nur freiwillig.
Zeitungen im ländlichen Kanada enthalten mehr Autowerbung als recherchierte Artikel. So erfuhr ich mangels Information: Smalltalk macht auf Dauer nicht glücklich, bei interessanten Gesprächen bleibt man zügig aussen vor und der Wahrheitsgehalt des Gegenübers Rede lässt sich nur dürftig diskutieren. Hätte ich gerne. Der Kanadier beharrt, Sonnenkraft sei sinnlos. Plötzlich geht es um eine Flut auf Spitzbergen, die zwei Drittel der internationalen Saatgutbank zerstört habe, was der Beweis für die kleine Eiszeit sei, welche ihrerseits belege, der Klimawandel existiere nicht. Bravo! Sechs Wochen ohne Blick in eine anständige Zeitung! Ich versuchte zu widerlegen, was gesunder Menschenverstand erlaubt, die globale Erwärmung sei erwiesen, gar Tatsache und auf Spitzbergen war ich, aber diese Flut nicht.
Ein zweites Bier half beim Argumentieren nicht. Sage, das sei, wie wenn man über Glauben streite und klemme die darob aufkeimende Diskussion mit kollegialem Schulterklopfen ab. Abschied. Zurück im Hostel suche ich verwirrt im Netz. Stelle fest, er hat verdreht, aufgebauscht und schlechte Recherche für bare Münze genommen. Ich hatte recht. Pech. Fazit? Zum Glück machen schlecht informierte Männer keine Politik. Echt? Ja, sonst erginge es vielen wie mir auf dem Boot und dem Lachs, den ich dem Meer entwand.
*Der Autor Rhaban Straumann ist Oltner Satiriker und Schauspieler mit Wurzeln in Aarau, Aarberg, Solothurn, Trimbach und Zofingen.