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Sie lernten sich im Internet kennen. Als sie sich zum ersten Mal trafen, soll der 24-Jährige die 15-Jährige in seiner Wohnung vergewaltigt haben. Das Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt verurteilte den Mann zu einer Gefängnisstrafe. Zudem muss er Genugtuung bezahlen.
Hatten sie gegen ihren Willen Sex miteinander? Wusste er, dass sie noch nicht 16 Jahre alt war? – Fragen, welche das Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt am Montag zu beurteilen hatte. Aussage stand gegen Aussage, jedoch gab es ärztliche Befunde und – wenn auch lückenhafte – Chatprotokolle.
Das Mädchen war eben erst 15 Jahre alt, als es über die Smartphone-App «Tango» Kontakte suchte. Und so schloss die Kosovarin Bekanntschaft mit einem neun Jahre älteren Kosovaren. Der war verheiratet, hatte einen jungen Sohn.
Sie tauschten im Chat eindeutige Inhalte aus. Sie postete gar Fotos von sich in BH und Unterhose. Beide schrieben, dass sie etwas Spass haben wollten. Schliesslich kam es im Januar 2014 zum Treffen. Er fuhr sie am frühen Nachmittag mit dem Auto in die Wohnung seines Kollegen.
Im Fahrzeug kam es zu Zungenküssen. Dies geschah einvernehmlich und wurde von beiden auch nicht bestritten. Das Mädchen betrat freiwillig die ihm fremde Wohnung in Derendingen. Dass er die junge Frau im weiteren Verlauf jedoch entkleidete und den Geschlechtsakt an ihr vollzog, war ihr zufolge gegen ihren Willen. Sie erstattete Anzeige wegen Vergewaltigung. Zur Hauptverhandlung wurde die Frau nicht aufgeboten, somit sprachen nur ihre Rechtsanwältin Anette Wisler sowie Staatsanwalt Raphael Stüdi für sie.
«Glücklicherweise macht es uns der Angeklagte leicht», sagte Stüdi, «seine Aussagen erweisen sich glasklar als Lügen». Beispielsweise habe der Angeklagte behauptet, das Mädchen habe die freizügigen Fotos aus eigenem Antrieb gepostet, das Chatprotokoll der Anklägerin zeige jedoch klar, dass er es gewesen sei, der «sexy Bilder» verlangt habe. «Sie hat etliches aus dem Chat-Protokoll gelöscht», erwiderte Pflichtverteidigerin Luzia Vetterli, «um ihre Rolle zu verharmlosen.»
Auf dem Handy des Angeklagten sei allerdings, so Stüdi, gleich alles gelöscht worden. Das Gericht unter Vorsitz von Amtsgerichtspräsident Stefan Altermatt musste sich auf den unvollständigen Chat-Verlauf stützen. Und auf frühere Befragungen. Der Angeklagte wollte nicht mehr aussagen. Er musste gar durch die Polizei erst zur Gerichtsverhandlung gebracht werden, in Handschellen, da er nicht erschienen war. Dabei war er schon einem früheren Termin ferngeblieben.
Das Mädchen habe sich gewehrt, führte die Anwältin des Opfers aus, vor allem mit Worten. Und mit Tränen habe sie ihren Widerwillen kundgetan. «Er hat sie mit seinem Körpergewicht aufs Bett gedrückt.» Ihr Alter sei schon im Chat-Profil ersichtlich gewesen. Verteidigerin Vetterli betonte dagegen: «Es ist kein Gewaltdelikt, es waren beispielsweise keine Hämatome vorhanden. Für eine Verurteilung wegen Vergewaltigung muss eine erhebliche Einwirkung vorliegen.»
Die Frau hätte jederzeit die Wohnung verlassen können. Vetterli bemängelte, dass das Gericht die Frau nicht befrage: «Das Bundesgericht verlangt, das Opfer unmittelbar anzuhören. Hier kann das Gericht keine Fragen stellen. Die frühere Videobefragung reicht nicht.» Sie wies auch darauf hin, dass ihr Mandant der Frau seinen vollständigen Namen nannte, als er sie zurückfuhr, was er nicht getan hätte, wenn er sich einer Schuld bewusst gewesen sei. Auch habe er gefragt, ob sie sich am Samstag wieder treffen könnten.
Die sexuellen Handlungen streite er nicht ab. Jedoch, dass es nicht einvernehmlich war. Er habe zudem ihr Alter nicht gekannt und habe nicht gewusst, dass sie noch Jungfrau sei. Die Jungfräulichkeit war ein wichtiges Thema. Diese habe das Opfer unbedingt beibehalten wollen, so Verteidigerin Wisler: «In ihren religiösen Vorstellungen bedeutet ihr das sehr viel.» Sogar vorgängig habe sie dies in den Chats geschrieben.
Daraus leitete die Verteidigerin auch ein Motiv für eine ungerechtfertigte Beschuldigung ab: Als die junge Frau bei der Rückkehr den Onkel angetroffen habe, der ihren merkwürdigen Zustand bemerkte, habe sie eine Geschichte erfunden, wonach ein Fremder sie in einem Auto – und nicht in der Wohnung – vergewaltigt habe. «Sie schämte sich und wollte nicht schlecht dastehen.» Widersprüchlichkeiten gab es auf beiden Seiten.
Das Gericht mit Stefan Altermatt, Esther Stotz und Heinz Bucher fand die Aussagen des Opfers weit glaubwürdiger. Es verurteilte den Kosovaren für die Vergewaltigung und für die sexuellen Handlungen mit einem Kind zu einer Gefängnisstrafe von 28 Monaten. 22 Monate davon bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren. Die restlichen 6 Monate muss er im Gefängnis absitzen.
Er muss dem Opfer eine Genugtuung von 12'500 Franken bezahlen. Das ist unter dem Antrag der Kläger. «Die sexuellen Vergehen sind eher leicht. Der Zwang eher gering», so Altermatt. Doch er berücksichtigte die egoistischen Motive des Täters, die Ausführung ohne Kondom und den wissentlichen Raub der Jungfräulichkeit.
Der bisher nicht vorbestrafte Kosovare wurde für acht weitere Delikte verurteilt. Beispielsweise wegen Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz und weil er seinem Bruder rechtswidrig die Einreise in die Schweiz ermöglichte. Für diese Delikte erhielt er eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 60 Franken, die Hälfte bedingt bei einer Probezeit von 3 Jahren.