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Hiesiger Süssmost brilliert an Wettbewerben und bekommt nun sogar von der Lebensmittelkontrolle ein gutes Zeugnis – doch die Ernte war so schlecht wie lange nicht mehr.
«Eine angenehme Süsse.» – «Aromatisch, edel, vollmundig.» – «Schöne Perlage.» Es sind Sätze, die man an der Verkostung edler Schaumweine erwarten würde. Doch gefallen sind sie beim Süssmost-Qualitätswettbewerb der Kantone Solothurn und Basel-Landschaft, durchgeführt am landwirtschaftlichen Bildungszentrum Wallierhof in Riedholz.
Eine fünfköpfige Fachjury bewertete die Apfelsäfte von Produzenten aus der Region. Nach strengen Kriterien, versteht sich: Eine goldene Farbe, ein fruchtiger Geruch, eine intensives Geschmackserlebnis und eine harmonische Ausgeglichenheit von Säure und Süsse sollen einen guten Süssmost laut den Fachleuten auszeichnen. Nur wer in allen Kategorien brillierte, konnte die maximale Punktzahl erreichen.
Ist ein Süssmost hell oder trüb? Wie steht es um den Geruch? Die Jury beurteilte die Proben anonymisiert. Dabei machten die Tester auch Aussagen zum Reifegrad der verwendeten Äpfel, zur Sortenmischung und zur Verarbeitung. «Die entsprechenden Rückmeldungen helfen den Produzenten, ihren Süssmost noch weiter zu optimieren», sagt Philipp Gut. Der Leiter der Fachstelle Spezialkulturen am Wallierhof ist einer der Organisatoren des Wettbewerbs.
Die Solothurner Produzenten brillierten dieses Jahr einmal mehr. Den ersten Platz erreichten Sarina und Mathias Anderegg vom Gruebackerhof in Wangen bei Olten. Kürzlich wurden sie bereits am nationalen Süssmostwettbewerb mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Auf dem zweiten Platz folgt der Gutsbetrieb des Wallierhofs, Karin und Michael Studer aus Boningen holten sich Platz drei.
Lange hatte Süssmost eher ein biederes Image. Apfelsaft ist halt Apfelsaft, so die vorherrschende Meinung. Ein guter, aber etwas langweiliger Durstlöscher. Seit einigen Jahren jedoch gewinnt der Most als Genussmittel an Bedeutung. Die Light-Version Apfelschorle konkurriert emsig die Softdrinks, parallel dazu etablieren sich hochwertige Säfte mit Früchten aus Hochstamm-Kulturen. Der Konsum von Apfelsaft ist in der Schweiz zuletzt gestiegen; derzeit beträgt er rund 10 Liter pro Kopf.
Viele Produzenten sind mit grosser Ernsthaftigkeit am Werk, sie tüfteln mit seltenen Sorten und setzen auf neue Variationen. An Wettbewerben wird die Urteilsfindung über Apfelsaft zu einer hochkomplexen Angelegenheit – man kennt das ansonsten bloss noch aus der Welt des Weins.
Das gute Image des Süssmosts aus der Region wird nun sogar von der Solothurner Lebensmittelkontrolle untermauert. Soeben veröffentlichte Untersuchungsergebnisse zeigen ein positives Bild: Die Kontrolleure untersuchten 20 pasteurisierte Säfte aus 13 Betrieben. Nebst Äpfeln enthielten diese teilweise auch Birnen und Quitten. Keine einzige Probe musste beanstandet werden. «Die Ergebnisse zeigen, dass die Obstsäfte fachgerecht hergestellt und gelagert wurden», hält die Behörde fest.
Geprüft wurde etwa, wie hoch der Patulin-Gehalt in den Säften ist. Das Schimmelpilzgift gilt als guter Indikator dafür, ob für die Mostgewinnung angefaultes Obst verwendet worden ist. In 15 Proben konnten zwar Spuren von Patulin nachgewiesen werden. Der höchste festgestellte Gehalt lag mit 14 Mikrogramm pro Kilogramm jedoch um den Faktor fünf unter dem gesetzlichen Höchstwert.
Einen weiteren Hinweis, ob Süssmost fachgerecht hergestellt und gelagert worden ist, bietet der Alkoholgehalt. Die Säfte können Alkohol enthalten, wenn angefaulte Früchte vermostet worden sind. Und lässt man den Most länger offen stehen, kann ihn Hefe aus der Luft vergären. Der erlaubte Höchstgehalt in alkoholfreien Getränken liegt bei 0,5 Volumenprozent. Kein Problem bei den getesteten Säften: Alle hatten einen Alkoholgehalt von weniger als 0,01 Volumenprozent.
Die positiven Nachrichten täuschen nicht darüber hinweg, dass frischer Süssmost dieses Jahr als rares Gut gilt. Die Apfelernte ist in der Region schlecht ausgefallen. «So schlimm war es seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr», sagt Philipp Gut vom Wallierhof. Der Experte schätzt, dass die Ernte auf der Jura-Südseite nur knapp die Hälfte eines durchschnittlichen Jahres ausmachte. Geradezu «desaströs», so Gut, präsentierte sich die Situation im ansonsten klimatisch bevorzugten Schwarzbubenland: «Hier war teilweise sogar ein Totalausfall zu verzeichnen.»
Besonders im April hat das Wetter verrückt gespielt. Bis Ostern war es unüblich warm, die Bäume bildeten früher als sonst Knospen. Doch in der zweiten Monatshälfte wurde es plötzlich wieder winterlich. Frost mit Temperaturen von bis zu minus fünf Grad setzte den Kulturen zu – und vernichtete vielerorts die Blüten.