Klientinnen- und Klientenrat
Die Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention stockt – das Solothurner Discherheim will nun Gas geben

Die UNO-Behindertenrechtskonvention ist seit 2014 in der Schweiz in Kraft. Doch mit der Umsetzung hapert es. Oftmals würden beeinträchtige Menschen ihre Rechte zu wenig kennen. Nun will das Solothurner Discherheim reagieren.

Susanna Hofer
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Von links: Fabian, Madeleine (Mitglieder Klientinnen- und Klientenrat), Miriam Zürcher (Projektleitung), Ismail (KR) und Joël Sury (Projektmitarbeiter).

Von links: Fabian, Madeleine (Mitglieder Klientinnen- und Klientenrat), Miriam Zürcher (Projektleitung), Ismail (KR) und Joël Sury (Projektmitarbeiter).

Susanna Hofer

Bestimmen, mit wem man die Ferien verbringen will, wo man wohnen will, ob und wann man eine Religionsgemeinschaft besuchen will: Das sind alles Rechte, die die meisten Menschen selbstverständlich ausüben. Für Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen sind solche Dinge aber längst nicht überall und vollständig realisiert.

«Zwar ist in der Schweiz die UN-BRK, die Behindertenrechtskonvention der UNO, seit 2014 in Kraft», sagt Miriam Zürcher, «aber die Umsetzung dieser Rechte ist eine andere Geschichte.» Es geht um Themenbereiche wie Arbeit, Privatleben, Zugang zur Justiz, Gesundheit und Mobilität.

Miriam Zürcher hat im Rahmen ihrer Diplomarbeit in Sozialpädagogik im Discherheim in Solothurn, wo sie arbeitet, einen Klientinnen- und Klientenrat gegründet, der aus acht Teilnehmenden besteht. Alle wohnen und arbeiten im Discherheim an der Dürrbachstrasse in Solothurn. Der Rat trifft sich seit November letzten Jahres einmal im Monat.

Klar machen, welche Rechte sie überhaupt haben

«Ein wichtiger Punkt ist es, unseren Klienten klarzumachen, dass sie überhaupt Rechte haben», so Zürcher. Das Ziel des Projektes sei es, die Lebensqualität der behinderten Menschen zu verbessern. Sie habe sich schon immer Gedanken darüber gemacht, wie das am besten zu erreichen sei.

«Das Thema ist sehr aktuell», sagt Miriam Zürcher. Gerade letzte Woche habe in Bern eine Tagung zum Thema stattgefunden. Es brauche aber sehr viel Arbeit und Einsatz, um die UN-BRK umzusetzen.

Ein wichtiger Punkt bei einer erfolgreichen Stärkung der Rechte von Menschen mit Beeinträchtigungen sei die Unterstützung derselben bei der Kommunikation. «Wenn sich ein Mensch nicht gut ausdrücken kann, sei es mündlich, schriftlich oder über Symbole, ist es unsere Aufgabe, die Kommunikation bestmöglich zu unterstützen.»

Das funktioniere zum Beispiel über ein Tablet mit Sprachprogramm, mit Piktogrammen oder einem Time-Timer, der die Zeitgestaltung erleichtert. «So werden etwa Protokolle so gemacht, dass sie für alle lesbar werden.» Dieses Prinzip ist auch in der Eingangshalle des Discherheims sichtbar, wo der Menuplan nicht nur mit Worten, sondern auch mit Bildern formuliert ist.

Menschen mit Behinderungen sollen ihre Rechte also nicht nur kennen, sondern auch aktiv einfordern können. Wir treffen uns mit drei Delegierten des Klientinnen- und Klientenrats; dabei sind Madeleine, Ismail und Fabian.

An den Rat können alle Bewohner im Discherheim Anträge stellen, sei es per Telefon, schriftlich, per Piktogramm oder wie auch immer. «Es geht darum, möglichst alle einzubeziehen», sagt Joël Sury, der im Projekt mitarbeitet.

Ismail schlägt als Erstes vor, seinen Kollegen David in den Rat einzuladen: «Dann kann er etwas lernen», sagt er und schmunzelt.

Der Rat ist für die Betroffenen wichtig

Der Rat sei für ihn sehr wichtig, meint Ismail, zum Beispiel, wenn es um das Thema Feriengestaltung gehe. Fabian erzählt, es gefalle ihm sehr, im Klientinnen- und Klientenrat mitzuarbeiten.

Von ihm stammt eine Eingabe zum Thema Abendgestaltung in den Ferien. Die hat man einmal in Iseltwald verbracht. Nach längerer Diskussion hatte sich gezeigt, dass das Problem der Abendgestaltung nicht etwa zu wenig Personal war, sondern die Planung langfristiger passieren musste.

Fabian arbeitet oft im Wald, wo er Holz sägt oder kocht, und er machte auch eine Eingabe, in der er einen freien Tag mehr für sich forderte. «Ich bin am Abend oft sehr müde, daher brauche ich einen Tag mehr, um mich zu erholen», sagt er.

Madeleine arbeitet im Textilbereich: «Ich schneide Bänder.» Da sie oft Rückenschmerzen bekomme, forderte sie mehr Pausen ein, damit sie sich öfter mal hinlegen kann.

Miriam Zürcher und Joël Sury ergänzen zum Schluss noch, dass man die Idee des Klientinnen- und Klientenrates auch noch mehr streuen möchte. «Die Aufklärung zum diesem Thema ist wichtig, und der Bedarf nach Informationen ist gross», so Zürcher.