Bezirksgericht Aarau
Kindsmissbrauch: Pfarrer drohen fünf Jahre Gefängnis – er war auch im Kanton Solothurn tätig

Ein pädophiler Pfarrer musste sich am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Aarau verantworten. Der Mann hatte sich an Kindern im familiären Umfeld vergriffen. Er war in den Kantonen Aargau, Solothurn und Schwyz tätig.

Noemi Lea Landolt
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Es sind jene Prozesse, von denen alle hoffen, sie müssten nie stattfinden. Und trotzdem passiert es. Es kommt in jenem Rahmen zu sexuellen Übergriffen, in dem sich jeder Mensch und besonders Kinder am sichersten fühlen sollten: im Kreise der Familie. Ein solcher Prozess hat am Mittwoch am Bezirksgericht Aarau stattgefunden. Die Verhandlung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, einzig Journalistinnen und Journalisten waren im Gerichtssaal zugelassen.

Der Beschuldigte wurde im Frühling 2017 verhaftet und sass danach vier Monate in Untersuchungshaft. Im Sommer 2017 wurde er unter Auflagen entlassen. Der Fall machte damals Schlagzeilen. Rund zwei Jahre später musste sich nun das Bezirksgericht mit den Straftaten befassen. Die Staatsanwaltschaft hat den 70-Jährigen, der als reformierter Pfarrer in den Kantonen Aargau, Solothurn und Schwyz tätig war, wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern angeklagt und beantragte eine unbedingte Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren.

Im Gerichtssaal kündigte Staatsanwältin Barbara Loppacher sogleich an, dass sie die Anklage auf den Straftatbestand der Schändung ausweiten werde, und forderte entsprechend eine höhere Freiheitsstrafe von fünf Jahren. In ihrem Plädoyer führte sie mehrere Punkte auf, die sich im Falle des Beschuldigten straferhöhend auswirken. Etwa der lange Zeitraum, in dem die Übergriffe stattgefunden hatten, oder dass er eine nahe Bezugsperson der Opfer war und diese bis heute und darüber hinaus an den Folgen der Übergriffe leiden werden.

Verteidigung beantragte eine bedingte Strafe

Zu Beginn der Verhandlung wurde der Gutachter befragt. Dieser diagnostizierte beim Beschuldigten eine Pädophilie, sprach von einem «mittleren Rückfallrisiko im einstelligen Prozentbereich» und empfahl, eine vollzugsbegleitende ambulante Therapie. Die Therapie war, neben dem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot mit Minderjährigen, der einzige unumstrittene Punkt.

Der Verteidiger des Beschuldigten betonte zu Beginn seines Plädoyers, dass der Tatbestand der sexuellen Handlungen mit Kindern völlig zu Recht Abscheu hervorrufe. Der Sachverhalt, wie ihn die Anklage basierend auf den Aussagen der Kinder wiedergebe, sei «widerlich, abstossend und ekelerregend». Die Kinder hätten glaubwürdig ausgesagt. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass sich die Übergriffe im Grundsatz nicht so abgespielt hatten, wie es die Opfer erzählten.

Trotzdem war die Verteidigung mit der Höhe der Strafe nicht einverstanden. Ebenso mit der Ausweitung der Anklage um den Straftatbestand der Schändung. Mit diesem Antrag versuche die Staatsanwaltschaft, zusätzlichen Druck auszuüben, so der Verteidiger. Er beantragte eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern. Für einen bedingten Vollzug spreche, dass sich der Beschuldigte in seinem langen Leben bis jetzt noch nie etwas zuschulden habe kommen lassen. Ausserdem würde ihn eine Gefängnisstrafe hart treffen.

Draussen war es bereits dunkel, als der Beschuldigte sein letztes Wort hatte. Danach werden die Parteiverhandlungen normalerweise als geschlossen erklärt und das Gericht zieht sich zur Urteilsberatung zurück. In diesem Fall war es anders. Die Gerichtspräsidentin erklärte die Parteiverhandlungen für nicht geschlossen. Das Gericht wird in den nächsten Tagen entscheiden, wie es weitergeht.