Regierungsrat
Kanton wagt neuen Versuch für das Ausländerstimmrecht

Zweimal schon haben die Solothurner das Ausländerstimmrecht auf Gemeindeebene abgelehnt. Die Regierung will trotzdem einen weiteren Versuch wagen.

Lucien Fluri
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Soll man den Schweizer Pass haben müssen, um auf Gemeindeebene abstimmen zu können?

Soll man den Schweizer Pass haben müssen, um auf Gemeindeebene abstimmen zu können?

Tele M1

Die Solothurner haben bisher nicht viel davon gehalten, ihre demokratischen Rechte mit Ausländerinnen und Ausländern zu teilen. Nicht einmal auf Gemeindeebene. Und nicht einmal wenn die Ausländer schon lange hier wohnen: 1997 und 2005 hat das Volk das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer jeweils deutlich abgelehnt.

Jetzt aber will die Regierung einen neuen Anlauf nehmen: Sie hat heute beschlossen, einen Volksauftrag zu unterstützen, der es Gemeinden erlauben will, Ausländern auf Gemeindeebene das Stimm- und Wahlrecht zu verleihen. Dabei soll aber jede Gemeinde selbstständig festlegen, ob sie dies einführen möchte oder nicht. «Solange eine Einwohnergemeinde nicht aktiv wird, bleibt es bei der heutigen Regelung», hält die Regierung fest. Zudem sollen nur Ausländer, die längere Zeit hier leben (Ausweis C), in den Genuss des Wahl- und Stimmrechts auf Gemeindeebene kommen.

Es komme vor, so die Regierung, «dass ein Finanzexperte, der seit 20 Jahren in der Schweiz lebt und perfekt Schweizerdeutsch spricht, nicht in die Rechnungsprüfungskommission gewählt werden kann, weil er nur die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt.»

Es sei eine Chance für einzelne Gemeinden, Ausländerinnen und Ausländer in die politische Verantwortung» einerseits zu integrieren und andererseits mehr Personal für ihre oft schwer zu besetzenden Ämter zu finden. – «Sie arbeiten hier, bezahlen Steuern und wären bereit, sich in der Gemeinde zu engagieren», so die Regierung.

Eingereicht hat den Volksauftrag mit 237 beglaubigten Unterschriften Anfang Dezember der Stadtsolothurner Christian Baur. Im Kanton Solothurn geht es laut Baur um rund 42 000 Personen, rund 16 Prozent der Wohnbevölkerung, hält Baur fest. SP-Mann Baur war in der Stadt Solothurn bekannt geworden, indem er mehrmals – vergeblich – die Aufnahme von 100 Asylsuchenden gefordert hatte.

Baur erhofft sich vom Volksauftrag einen «demokratiepolitischen Fortschritt». Entscheide wären auf kommunaler Ebene breiter abgestützt. «Darüber hinaus könnten solche Partizipationsmöglichkeiten viele junge Menschen motivieren, sich politisch stärker einzubringen.»

Westschweiz ist weiter

Warum engagiert sich die Regierung trotz zwei Volks-Nein erneut für das Ausländerstimmrecht? Primär gehe die Initiative ja nicht von der Regierung aus, betont Staatsschreiber Andreas Eng. «Aber an der Haltung der Regierung hat sich in den vergangenen Jahren nichts geändert. Es ist deshalb nichts als ehrlich, dass sie den Auftrag unterstützt.» Nach über zehn Jahren sei es zudem legitim, die Frage erneut zu stellen.

Die Solothurner Kirchgemeinden haben das Ausländerstimmrecht bereits zu einem grossen Teil eingeführt. Ob Ausländer auf Gemeindeebene mitreden dürfen, ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Die Kantone Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg und Waadt haben das Ausländerstimmrecht. In Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt und Graubünden können es Gemeinden einführen, wenn sie wollen.

Ob ein Ausländer nur wählen darf, oder ob er auch in den Gemeinderat gewählt werden kann, unterscheidet sich ebenfalls von Kanton zu Kanton: Genf etwa erlaubt das passive Wahlrecht nicht. Im Jura ist dieses dagegen, ausser beim Gemeindepräsidium, möglich. Je nach Kanton müssen Ausländer auch unterschiedlich lange die Niederlassungsbewilligung haben: In Neuenburg muss man ein Jahr im Kanton gewohnt haben, Genf fordert acht Jahre Wohnsitz in der Schweiz.

Im Kanton Solothurn hat nun vorläufig der Kantonsrat das nächste Wort: Er entscheidet in einer seiner nächsten Sessionen, ob er dem Volksauftrag zustimmt. Sagt der Kantonsrat Ja, würde die Regierung ein Gesetz mit genaueren Bestimmungen ausarbeiten, bevor nochmals der Kantonsrat und am Ende das Volk entscheiden könnten.