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Die Attestausbildung bietet gerade auch Migrantinnen und Migranten einen Einstieg in die Berufswelt. So soll zusätzlicher Deutschunterricht den Lehrlingen helfen, die Sprache zu lernen.
Viele junge Migrantinnen und Migranten bringen Schulbildung, Arbeitserfahrung und ein intellektuelles Niveau mit, das ihnen das Lernen problemlos erlauben würde. Weil sie aber unsere Sprache nicht sprechen und mit unserer Kultur nicht vertraut sind, bleibt ihnen oft nur die Möglichkeit für eine Ausbildung, die unter ihrem tatsächlichen Potenzial liegt.
Rund 50 Interessierte trafen sich im Rahmen des Infotages zu den zweijährigen Grundbildungen mit Eidgenössischen Berufsattest (EBA) im Alten Spital in Solothurn, um über diese Thematik zu diskutieren. Darunter Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Organisationen, der Verwaltung und der Berufsfachschulen sowie einige Lernende mit Migrationshintergrund.
Zum achten Mal bereits fand am Donnerstag im Alten Spital in Solothurn der Infotag zu den zwei jährigen Grundbildungen mit Eidgenössischem Berufsattest (EBA) statt. Rund 800 Besucherinnen und Besucher fanden den Weg ins Alte Spital. 55 Klassen der 7. bis 9. Sekundarschule B sowie Migrationsklassen aus dem ganzen Kanton Solothurn profitierten von der Berufsausstellung mit 24 Berufsverbänden, Firmen und Organisationen. Praxisnahe Informationen zu den Themen Berufswahl, Lehrstellensuche und Lehrbeginn vermittelten Fachpersonen an den thematischen Informationsveranstaltungen, die von 555 Schülerinnen und Schülern besucht worden sind. Die erstmals angebotenen Einzelberatungen für 9.-Klässler, die noch keine Anschlusslösung haben, wurden von 21 Schülerinnen und Schülern in Anspruch genommen. (mgt)
An einer Podiumsdiskussion unter der Leitung von Christiane Büchli (Redaktorin Radio SRF) ging es denn auch um Chancen und Grenzen im Umgang mit jungen Lernenden, die nicht in der Schweiz zur Schule gegangen sind.
Zwei EBA-Lernende, Saman Rajabi aus dem Iran und Ermias Meharezghi aus Eritrea, gaben über ihre Erfahrungen Auskunft. Beide absolvieren derzeit bei der Firma Aeschlimann AG Décolletages in Lüsslingen die Attestausbildung als Mechanikpraktiker. Rajabi hat im Iran Elektronik studiert, Meharezghi hat einen Hochschulabschluss als Psychologe. Berufsfachschullehrer Iwan Kofmehl unterrichtet die beiden und verdeutlichte in der Debatte, dass die EBA-Lehre für viele Migranten ein idealer Einstieg in die Berufswelt sei. So ist es nämlich sehr gut möglich, an die Attestlehre eine weitere Ausbildung anzuhängen.
«Natürlich ist der Aufwand grösser, aber weil wir das Ziel verfolgen, die ausgebildeten Logistiker nach der Lehre weiterhin zu beschäftigen, lohnt sich das», erklärte Simon von Arx, Filialleiter der Planzer Transport AG aus Dietikon, auf dem Podium.
Er hat bereits Erfahrung in der Ausbildung von Migranten, denn im Kanton Zürich sei die «Integrationsvorlehre», wie sie der Bund ab 2018 einführen will, bereits bekannt. «In erster Linie muss man offen sein und ihnen eine Chance geben.» Das auf vier Jahre angelegte Pilotprojekt des Bundes richtet sich an anerkannte Flüchtlinge. Die einjährige vorbereitende Ausbildung soll in allen Berufsfeldern möglich sein und neben der Förderung der Landessprache auch den Erwerb grundlegender Kompetenzen ermöglichen. Schweizweit sollen pro Jahr 800 bis 1000 Flüchtlinge eine solche Integrationsvorlehre absolvieren können.
Auch Berufsfachschullehrer Iwan Kofmehl betonte, wie wichtig es sei, jungen Migranten eine Chance zu geben. Er wies darauf hin, dass Rajabis und Meharezghis Arbeitgeber die beiden durch zusätzliche Deutschkurse unterstützen. Positiv sei auch, dass Betriebe, die gute Erfahrungen gemacht haben, auch zukünftig Migrantinnen oder Migranten anstellen werden.
Nach dem kurzen Podiumsgespräch kamen schliesslich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Zug. Verteilt auf mehrere Gruppen tauschten sie ihre Erfahrungen und Ideen aus. Thomas Jenni vom Kantonal-Solothurnischen Gewerbeverband (KGV), zuständig für das Lehrstellenmarketing, betonte etwa: «Für die Berufsverbände muss es das Ziel sein, diese Leute in die Berufswelt zu integrieren und ihr Potenzial auszuschöpfen.» Er sprach dabei den Fachkräftemangel an, den es nicht nur in seiner eigenen Branche, der Automobilbranche, gebe.
Immer wieder wurde in den Gruppen unterstrichen, wie wichtig die Deutschintensivkurse sind. Die Leute müssten ja schliesslich verstehen, was im Betrieb überhaupt zu tun sei. Viel verspricht man sich von der Integrationsvorlehre, die den Schwerpunkt auf die Sprache setzen soll. Auch im Alten Spital zeigte sich, dass es für die anwesenden Migranten nicht einfach ist, komplexen Diskussionen zu folgen – auch wenn sich all die Beteiligten konsequent ans Hochdeutsche gehalten haben. Problematisch sei auch die Diglossie: Migrantinnen und Migranten lernen in der Schule Hochdeutsch, sind in den Betrieben dann aber hauptsächlich mit Dialekt konfrontiert. Hier sei ein Entgegenkommen der Mitarbeitenden nötig. Das heisst: ein Wechsel hin zur Standardsprache, langsameres Tempo, einfache Wörter.
Die festgehaltenen Erwartungen und Wünsche der unterschiedlichen Akteure dienen nun als Basis zur weiteren Bearbeitung. Eva Gauch, Betriebsleiterin des Alten Spitals, meinte: «Es wäre toll, wenn daraus etwas Konkretes entstehen könnte.» Erste Ansätze dazu seien offenbar bereits vorhanden. Thomas Jenni von der Lehrstellenförderung sagte, er habe einen Auftrag gefasst. Nämlich innerhalb des Gewerbeverbands für eine Sensibilisierung der Arbeitgeber zu sorgen. Eva Gauch unterstrich, dass sich zahlreiche Betriebe Unterstützung wünschen. Eine solche Unterstützung gebe es dabei schon, nur sei sie noch zu wenig bekannt.