Solothurner Obergericht
Geschah der «Axtmord» vorsätzlich oder im Affekt?

Vor Obergericht wurde am Dienstag der Fall des Balsthaler «Axtmörders» behandelt. Dabei ging es vor allem um die Schuldfähigkeit und die Art des Delikts. Das Urteil wird für Mittwoch erwartet.

Christoph Neuenschwander und Lea Durrer
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Der Balsthaler hatte 2009 seine Frau mit einem Beil erschlagen. Am Dienstag fand der Berufungsprozess vor Solothurner Obergericht statt.

Der Balsthaler hatte 2009 seine Frau mit einem Beil erschlagen. Am Dienstag fand der Berufungsprozess vor Solothurner Obergericht statt.

AZ

Die Tat war beim Berufungsprozess nicht Thema. Es ging am Morgen vielmehr um die Frage der Schuldfähigkeit. Der mittlerweile 51-jährige H.R., der 2009 seine Frau aus Eifersucht mit einem Beil erschlagen hatte, befindet sich seit 2010 im Psychiatriezentrum Rheinau ZH. Er habe Mühe über die Tat zu sprechen, sagte er vor Gericht. Nach wie vor misstraue er Menschen. Das habe sich jedoch in den letzten Jahren verbessert. «Ganz verarbeiten werde ich die Tat nie», sagt er.

Befragt wurde auch der Psychiater Lutz-Peter Hiersemenzel, der das psychiatrische Gutachten erstellte und H.R. eine Persönlichkeitsstörung mit Eifersuchtswahn attestierte. Auch heute noch stehe er zu seiner Diagnose. Laut Hiersemenzel, der Leitender Arzt des Fachbereichs Forensik der Psychiatrischen Dienste ist, sei der Täter «mittelgradig schuldfähig». Aus diesem Grund sei eine längerfristige stationäre Massnahme angebracht.

Antrag für 2. Gutachten abgelehnt

Zu einer anderen Diagnose kommt jedoch der Bericht über den Aufenthalt des Mannes im Psychiatriezentrum. Dort attestierte man ihm Schizophrenie. Dies führt laut Verteidiger Reto Gasser dazu, dass sein Mandant im besten Fall schuldunfähig sei. Deshalb beantragte er vor Gericht, ein zweites Gutachten erstellen zu lassen.

Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt. Nicht die Diagnose sei ausschlaggebend für die Schuldfähigkeit, sondern das psychopathologische Funktionsniveau. Dies sei juristisch entscheidend. Der Psychiater Lutz-Peter Hiersemenzel bezweifelte, dass der Verurteilte schizophren ist.

Von Egoismus geprägt

Am Nachmittag hielten die Staatsanwältin Petra Grogg, Verteidiger Reto Gasser und Privatkläger ihre Plädoyers. Bei den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung ging es weniger um die Art der psychischen Erkrankung des Beschuldigten, sondern vielmehr um die Frage, ob der Tathergang das Delikt als Mord oder doch nur als Tötung qualifiziere.

Das Vorgehen von H. R. sei von Egoismus geprägt gewesen, argumentierte Staatsanwältin Petra Grogg. «Er wollte seine Frau für sich alleine haben.» Und als er glaubte, sie habe eine Affäre und könnte ihn verlassen, habe er sie umgebracht. Heimtückisch habe sich der Beschuldigte an sein Opfer angeschlichen, und mehrmals mit einem Beil auf sie eingeschlagen, selbst dann noch, als sie schon auf dem Boden lag. Die Tat sei geplant gewesen und mit einer «archaischen Waffe» ausgeführt worden, deren Benützung noch mehr Überwindung koste als beispielsweise eine Pistole. Weil H. R. skrupellos und in voller Tötungsabsicht gehandelt habe, sei das Delikt ein Mord und würde eine Strafe von 18 Jahren rechtfertigen, so Grogg. «Unter Berücksichtigung der verminderten Schuldfähigkeit sind 12 Jahre angemessen.»

Die Verteidigung hingegen ging nicht von einem Vorsatz, sondern von einer Handlung im Affekt aus. Es sei nicht klar, wann sein Klient den Entschluss gefasst habe, die Frau umzubringen, erläuterte Reto Gasser. Gegen die Annahme der Staatsanwaltschaft, H. R. sei bereits mit der Tötungsabsicht in den Keller gegangen, spreche der Umstand, dass der Beschuldigte nach der Tat verwirrt und orientierungslos gewesen sei. Er habe von sich aus die Polizei alarmiert, im Glauben, die Frau könne noch gerettet werden, reinigte das Beil, holte seine Pistole, um Selbstmord zu begehen und trank dann ein Glas Wein. So handle niemand, der einen Mord geplant habe.

Zudem hielt der Verteidiger fest, dass sein Klient nicht kaltblütig, sondern im Gegenteil, aus einer extremen angestauten Wut heraus gehandelt habe. Die krankheitsbedingte Eifersucht habe ihn derart in Rage gebracht, dass er nicht mehr wusste, was er tat.

Im Namen der Angehörigen hielt auch der Bruder des Opfers ein Plädoyer. Er wolle in Erinnerung rufen, dass der Täter nicht nur ein Leben grausam ausgelöscht, sondern mit seiner Tat auch viele weitere Leben beeinflusst habe. «Wir sind alle in therapeutischer Behandlung, unsere Beziehungen leiden, und kein Familienfest wird je wieder sein, wie es einmal war.»

Der Staatsanwaltschaft gefolgt

Das Amtsgericht Thal-Gäu hatte den heute 51-jährigen Mann 2011 wegen Mordes zu 12 Jahren Haft verurteilt. Der Anwalt des Angeklagten, Reto Gasser, plädierte vor Amtsgericht auf Totschlag und sprach sich unter Berücksichtigung der verminderten Schuldfähigkeit für einen Freiheitsentzug von 51⁄2 Jahren aus.

Das Amtsgericht Thal-Gäu folgte jedoch dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Balsthaler zu 12 Jahren Freiheitsentzug. Zudem ordnete es das Weiterführen der stationären therapeutischen Massnahmen im Psychiatriezentrum Rheinau ZH an. Dort war der Verurteilte seit März 2010 im Hochsicherheitstrakt untergebracht. Gegen das Urteil appellierte der Anwalt des Verurteilten.

Aus Eifersucht gehandelt

Der damals 48-Jährige hatte im Dezember 2009 seine 40-jährige Frau im Keller des Einfamilienhauses in Balsthal mit einem Beil erschlagen - aus Eifersucht. Der gelernte Forstwart mit einem Gartenbaugeschäft hatte gedacht, dass seine Ehefrau ein Verhältnis mit dem Nachbarn hatte. Der Verdacht erwies sich im Nachhinein als haltlos.

Der Verurteilte schlug mindestens sechs Mal mit der Schneide des Beils zu. Seine Frau verstarb im Verlaufe des Tages an den Folgen des schweren offenen Schädelhirntraumas in Kombination mit massivem Blutverlust im Spital.