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Kanton Solothurn
Der Lohn des Gemeindepräsidenten stimmt in kleinen und mittleren Gemeinden oft nicht mit der tatsächlichen zeitlichen Belastung überein. Dem sollte man sich als Gemeindepräsident bewusst sein.
Roger Siegenthaler ist ein Mann, der gerne anpackt. Es macht ihm Spass, Gemeindepräsident von Lüterkofen-Ichertswil zu sein. Doch wenn der FDP-Politiker seinen Stundenlohn als Gemeindepräsident ausrechnet, dann müsste er sich fragen, ob sich sein Einsatz auszahlt.
17 805 Franken erhält er pro Jahr. Und das für einen Job, der ihn fast täglich fordert. «Das ist kein Lohn, das ist eine Entschädigung», sagt Siegenthaler. Mal kommt am Wochenende ein Telefon, mal sitzt er bis spätabends an einer Sitzung.
«Ob eine Gemeinde 1000 oder 10 000 Einwohner hat, spielt nur eine unwesentliche Rolle», sagt er. «Denn die Dossiers muss man trotzdem kennen.» Und die können, etwa im Sozial- oder Raumplanungsbereich, komplex sein.
Eine breite Recherche dieser Zeitung hat vergangenen Samstag die Löhne der Gemeindepräsidenten in der Region aufgelistet. Dabei hat sich gezeigt: In den grossen Agglomerationsgemeinden sind die Ämter professionalisiert worden und die Ammänner im Vollamt werden für ihr Engagement auch bezahlt.
Anders sieht es dagegen in Gemeinden mit weniger als 1000 Einwohnern aus: Hier erhalten noch zahlreiche Gemeindepräsidenten für ihre 20- oder 30-Prozent-Pensen weniger als 20 000 Franken pro Jahr.
Noch immer wird hier das Milizsystem hochgehalten. Doch inzwischen driften Lohn und Arbeitsaufwand immer mehr auseinander. «Gemeindepräsident ist nicht einfach ein Nebenamt», sagt Siegenthaler. «Es ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber mitmacht.»
Wer sich für seine Gemeinde einsetzen will, darf nicht an den Gemeindegrenzen Halt machen. Denn oft wird andernorts beschlossen, was für die einzelnen Gemeinden grosse Auswirkungen hat. FDP-Gemeindepräsident Siegenthaler ist deshalb in der Regionalplanungsgruppe Repla aktiv.
Er besucht Sitzungen betreffend Sozialregion, er will wissen, was sich in den Zweckverbänden tut, die für die Asylbetreuung, die Schule oder den Bevölkerungsschutz zuständig sind. «Wer sein Amt ernst nimmt und die Kosten überblicken will, muss da überall präsent sein. Denn wenn man nicht aufpasst, zahlt man plötzlich mehr.»
Nicht zuletzt wirkt Siegenthaler im Einwohnergemeindeverband VSEG mit, der die Interessen der Gemeinden gegenüber dem Kanton vertritt. «Es ist extrem wichtig für die Gemeinde, dass sich die Gemeindepräsidenten da einsetzen», sagt der Milizpolitiker.
Denn oft wehrt sich der VSEG gegen höhere Belastungen, die der Kanton den Gemeinden aufbrummen könnte. Doch seine Arbeit in diesen Gremien zahlt ihm niemand wirklich. Zwar gibt es Sitzungsgeld, aber das deckt gerade einmal etwas mehr als die Spesen. Wäre es da nicht Zeit für eine Lohnerhöhung?
«Man kann sich selbst den Lohn doch nicht erhöhen», sagt Siegenthaler. «Das ist unschweizerisch.» Man könnte einzig seinem Nachfolger ein Geschenk machen, wenn man das Thema am Ende seiner Amtszeit noch anpacke.
Hardy Jäggi will nicht so lange warten. Bereits diesen Donnerstag muss sich der Recherswiler Gemeinderat mit dem Problem beschäftigen, Gemeindepräsident Jäggi hat es auf die Tagesordnung gesetzt. Der SP-Mann hat offiziell ein 20-Prozent-Pensum.
Er stellt aber klar: «Der effektive Aufwand liegt bei 40 bis 50 Prozent.» Jäggi ist inzwischen für vier Angestellte verantwortlich. «Da muss man präsent sein.»
Jäggi hat das Thema nicht wegen des Geldes angeschnitten. Denn um dieses gehe es selten jemandem, der sich für ein solches Amt bewerbe. Doch der 50-Jährige hält die kleinen Pensen für eine «Vorspiegelung falscher Tatsachen», mit unter Umständen schwerwiegenden Folgen: «Es ist gefährlich, wenn ein Kandidat davon ausgeht, dass er das Amt mit 20 Prozent Aufwand erledigen kann und dann feststellen muss, dass das nicht stimmt.
Entweder beschränkt sich der Gemeindepräsident dann auf das Nötigste, was für die Gemeinde nicht gut ist, oder er bekommt ein Problem mit seinem Hauptberuf oder der Familie.» Für Jäggi ist es nicht erstaunlich, dass in diversen Gemeinden bereits Pensionäre das Amt ausüben.
Kuno Tschumi gehört als Derendinger Gemeindepräsident zu denjenigen, die im Vollamt ihrer Gemeinde vorstehen. Als Präsident des Einwohnergemeindeverbandes (VSEG) sieht er jedoch auch in andere Gemeinden hinein. «Ein Gemeindepräsidium ist kein Job zum Ein- und Ausstempeln.
Es ist Teil des Lebens. Wenn eingebrochen wird, stehe ich morgens um drei Uhr auf», sagt Tschumi. Er weiss: Im Kanton wird das Milizsystem hochgehalten. Doch mit den komplexeren Vorlagen sei dies nicht einfacher geworden. «Es geht gut, solange sich gute Leute finden lassen und keine Probleme auftreten.» Tschumi warnt deshalb Gemeinden, aus Spargründen Pensen in der Verwaltung zu kürzen.
«Da spart man am falschen Ort.» Gerade in kleineren Gemeinden ist die Verwaltung oft wenig ausgebaut. Der Gemeindepräsident übernimmt dann auch deren Aufgaben. Das weiss etwa Roger Siegenthaler. Er hat keinen vollamtlichen Bauverwalter. «Ich werde mitten am Tag zur Baustelle gerufen, wenn kurzfristig entschieden werden muss, ob jetzt ein Hydrant mit oder ohne Schieber verbaut werden soll», sagt Siegenthaler. Geht alles gut, interessiert das nur wenige. «Aber wenn mal etwas schiefläuft, bin ich sicher schuld.»
Korrigendum: Der Bericht vom Samstag zu den Löhnen der Gemeindepräsidenten enthält einen Fehler. Der Gerlafinger «Ammann» Peter Jordi verdient nicht wie angegeben 90 629 Franken pro Jahr, sondern 173 017 (brutto). Jordi war vergangene Woche in den Ferien, nach seiner Rückkehr konnte die Zahl nun präzisiert werden.
Jordi betont: Nach 16 Jahren im Amt ist er in der höchsten Erfahrungsstufe. Sein Nachfolger wird – wie Jordi selbst – mit tieferem Gehalt starten.