Steuern
Finanzdirektor Christian Wanner: «Steuerbelastung ist wichtig, aber nicht alles»

Dass Solothurn nicht der steuergünstigste Kanton ist, macht dem scheidenden Finanzdirektor Christian Wanner keine schlaflosen Nächte. «Wir haben dafür andere Vorteile» sagt er gegenüber dem «Sonnntag»

Andreas Toggweiler
Drucken
Solothurner Finanzdirektor Christian Wanner

Solothurner Finanzdirektor Christian Wanner

Hansjörg Sahli

Der Solothurner Finanzdirektor Christian Wanner, der Mitte Jahr in den Ruhestand tritt, reagiert auf die neue Statistik der eidgenössischen Steuerverwaltunggelassen. Die Statistik zeigt auf, dass Solothurnerinnen und Solothurner länger für die Abarbeitung ihrer Steuerschuld arbeiten, als in den meisten anderen Kantonen, was auch heisst, dass die Steuerbelastung gross ist. Das gilt nicht nur für die Hauptstadt, sondern flächendeckend für die meisten Gemeinden des Kantons.

Dass der Kanton trotz wiederholten Senkungen an der Steuerfront immer mehr ins Hintertreffen gerät, hat für Wanner mehrere Gründe. «Solothurn hat traditionell ein tiefes Steuersubstrat, das heisst, verhältnismässig viele Werktätige mit eher kleinem Einkommen.» Das findet Wanner aber nicht a priori schlecht: «Es braucht diese Arbeitsplätze auch in der Schweiz, wenn wir weiter auch Werkplatz sein wollen.»

Abbau von Milliardenschulden

Zweitens, so Wanner, habe der Kanton Solothurn in den vergangenen Jahren eine Milliardenverschuldung abbauen müssen. «Das geht nicht ohne Steuereinnahmen», hält er lakonisch fest. Doch der Kanton hat inzwischen schon wieder Eigenkapital. Wäre es da nicht möglich, die Steuerschraube einmal mehr zurückzudrehen? «Davor muss ich deutlich abraten», sagt Wanner. Schon die Rechnung 2012 werde voraussichtlich mit einem Defizit von über 100 Millionen abschliessen. Das Gesundheitswesen (Spitalfinanzierung, Pflegekosten) werde zu jährlichen Mehrkosten von 50 bis 60 Millionen führen. Für Wanner ist es deshalb klar, dass es ein zweites, möglicherweise sogar ein drittes Sparprogramm braucht. «Denn wir haben eine Defizitbremse, die uns dazu zwingt.»

Steuerbelastung eines Ledigen mit 150 000 Franken Einkommen
4 Bilder
Ehepaar mit 2 Kindern und 150 00 Franken Einkommen
Steuerbelastung eines Ledigen mit 80 000 Franken Einkommen
Steuerbelastung einer Familie mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von 80 000 Franken (nur ein Partner arbeitet)

Steuerbelastung eines Ledigen mit 150 000 Franken Einkommen

Bundesamt für Statistik, ThemaKart

Weitere Steuersenkungen sind deshalb für Wanner unrealistisch. «Solothurn wird nie ein Tiefsteuerkanton.» Der Präsident der kantonalen Finanzdirektoren - Wanner wird dieses Amt im Mai niederlegen - glaubt auch nicht, dass der Steuerwettbewerb der Kantone im bisherigen Ausmass weitergehen kann. Den Steuerwettbewerb verbunden mit Finanzausgleich findet Wanner zwar nach wie vor eine gute, weil effizienzfördernde Sache. Nur sei die Zeit der grossen Spielräume vorbei. «Kantone, die eine aggressive Tiefsteuerstrategie gefahren sind, müssen jetzt schon zurückbuchstabieren, weil sie ihre Infrastruktur nicht mehr finanzieren können.»

Adäquater Gegenwert erwartet

Denn die Steuerzahler würden von der öffentlichen Hand einen adäquaten Gegenwert für ihren Steuerfranken erwarten. Und hier müsse sich Solothurn nicht verstecken. «Wir verfügen über einen effizienten Staat und wir benutzen auch jegliche Gelegenheit, mit unseren Nachbarkantonen zusammenzuarbeiten.» Der Kanton könne zudem mit vergleichsweise günstigen Lebenshaltungskosten (Mieten, Bodenpreise etc.) auftrumpfen, mit einer verkehrsgünstigen Lage, viel intakter Landschaft und Naherholungsmöglichkeiten. «Das sind alles Faktoren, welche die Leute bei ihrer Wohnsitzwahl auch beachten.» Befragungen zeigten, dass das steuerliche Umfeld zwar eine Rolle spiele, jedoch erst an dritter bis fünfter Stelle.

Unerschütterlich ist auch Wanners Überzeugung als «steuerpolitischer Statiker», will heissen: Die Ausgaben sollen durch die Einnahmen finanziert werden. Vorstellungen von gewissen Politi-kern, der Kanton könne durch radikale Steuersenkungen potente Steuerzahler anlocken, bezeichnet Wanner als Illusion. «Das wäre unrealistisch. Solche Leute suchen ein mondänes Umfeld, das wir so nicht bieten können.» Für Wanner ist es deshalb okay, wenn der Jet Set an der Goldküste oder am Genfersee wohnt - solange diese Kantone weiterhin ihren Obolus an den Finanzausgleich entrichten; 2012 erhielt der Kanton daraus 176 Millionen Franken.