In der Kantonsschule Solothurn wird ein neues Lernmodell getestet. Mit dem Modell ELMA können sich die Schülerinnen und Schüler auf die Selbstständigkeit des späteren Studiums vorbereiten. Die Resultate sind laut den Verantwortlichen vielversprechend.
Im Klassenzimmer der Klasse A20 der Kantonsschule Solothurn ist der Lärmpegel etwas höher als gewohnt in einem Klassenzimmer. Aber wenn man genau hinhört, merkt man, dass sich die Gespräche unter den Schülerinnen und Schüler hauptsächlich um Schulstoff drehen.
Bei der Klasse A20 handelt es sich um eine der drei ELMA-Maturaklassen der Kantonsschule Solothurn. ELMA steht für «Eigenständiges Lernen mit Anleitung» und ist eine Erfindung der Kanti. Die Klassenlehrerin Anja Spielmann sitzt zwar hinter dem Lehrerpult und steht für die Anliegen der Schülerinnen und Schüler zur Verfügung, mischt sich aber nicht in die Gespräche ein. Die Verantwortung, sich auf die nächste Prüfungsphase oder Projektwoche vorzubereiten, liegt grösstenteils in den Händen der Schülerinnen und Schüler.
Das ELMA-Modell besteht aus einer Mischung aus gymnasialem und universitärem Lernen. Im Stundenplan sind keine Einzellektionen aufgelistet, sondern Arbeitsblöcke von bis zu vier Lektionen. Diese können von einer Lehrperson begleitet, oder von den Lernenden zum selbstständigen Arbeiten genutzt werden. Das Schuljahr ist in sechs Blöcke à sechs Wochen eingeteilt. In einem Block wird jeweils die Hälfte der Fächer unterrichtet, dafür mit doppelt so vielen Lektionen. Die letzte Woche jedes Blocks ist eine Prüfungswoche.
Die ELMA-Klassen haben gerade ihre fünfte Prüfungsphase absolviert. Die Vorbereitungsphase für die Prüfungen dauert fünf Wochen, und in der ersten Woche wird ein Thema von der entsprechenden Lehrperson vorgestellt. Über die nächsten vier Wochen können sich die Jugendlichen entweder zu Hause oder im Klassenzimmer auf die Prüfungen vorbereiten.
So viel Selbständigkeit ist auch eine Herausforderung für Lehrpersonen wie auch für die Schülerinnen und Schüler. Die Prüfungen sind umfangreicher, weil sie eine grössere Zeitspanne an Unterrichtsstoff umfassen, und die Schülerinnen und Schüler sind während Lektionen im Bereich «eigenständigen Lernen» vom Präsenzpflicht befreit. Die Selbstorganisation funktioniere aber ziemlich gut, sagt Klassenlehrerin Anja Spielmann.
Mit den Resultaten des letzten Jahres ist Konrektorin Barbara Imholz sehr zufrieden und der Kommunikationsleiter der Kanti Solothurn, Phillipp Imhof, spricht von einem vollen Erfolg. «Ich weiss von sehr wenigen Schülerinnen und Schülern, die explizit aus dem Modell aussteigen wollen», sagt Imhof.
Auch die Eltern der ELMA-Schülerinnen und -Schüler seien begeistert. Einige Eltern würden von einem «Glücksfall» sprechen, seit ihre Kinder nach dem ELMA-Modell arbeiten. Viele Kinder würden mit Begeisterung, oder zumindest mit mehr Motivation, ihren schulischen Aufgaben nachgehen. «Viele Eltern schätzen die Betreuung der Lehrpersonen sehr», sagt Imhof.
Am ELMA-Modell besteht laut Imholz sehr grosses Interesse vonseiten anderer Schulen. Seit der Einführung sei sie oftmals von anderen Schulen kontaktiert worden. «Wir sind nicht die erste Schule der Schweiz, die so ein Modell führt. Das ELMA-Modell, wie es ist, war aber unsere eigene Idee.»
Imholz und Imhof würden die Weiterführung des Modells begrüssen: «Wir sind absolut der Überzeugung, dass ELMA an unserer Schule Zukunft hat und wir können uns auch gut vorstellen, dass sich das Modell auch an anderen Schulen bewähren wird», sagt Imhof. Eine eventuelle Einführung an anderen Schulen würde aber frühestens nach Abschluss des Schulversuchs zur Debatte stehen.
Allerdings: ELMA sei nicht für alle geeignet.
«Längst nicht jede Schülerin und jeder Schüler hat die nötige Reife und Organisationsfähigkeit, um das gewinnbringend durchzusetzen. Diese Freiheiten bringen Verantwortung mit sich, die man wahrnehmen muss. Freiheiten kann man auch missbrauchen und dies sieht man erst beim Zeugnis»,
sagt Imhof.
Das Projekt wurde seit seiner Einführung von einer Studiengruppe der Universität Zürich begleitet, die es parallel zur Durchführung dokumentiert. Ende April wurden Interviews mit den Schülerinnen und Schülern geführt sowie mit den Lehrpersonen. Die Resultate der Studie liegen im Herbst vor. «Für mich sieht das Ganze sehr positiv aus», sagt Imholz.