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Kanton Solothurn
Mehr als ein Schnuppereinsatz – aber kein Ferienjob: Das Jugendprojekt Lift will Jugendliche bereits während der Schulzeit lehren zu arbeiten – sodass beim Übertritt in die Berufswelt weniger ohne Anschlusslösung dastehen. Ein Beispiel aus Biberist.
Manchmal testet Markus Dick die Schüler absichtlich. Die Jugendlichen, die einmal in der Woche im Büro des 49-Jährigen in Biberist aushelfen. Während des ersten Arbeitseinsatzes gibt Dick etwa den Auftrag, eine Tabelle am Computer zu erstellen. Einige versuchen dann, Linien um Geschriebenes herumzubasteln, anstatt eine Vorlage zu verwenden. Nach ein paar Minuten hilft Dick natürlich.
Jeweils über einen Zeitraum von bis zu vier Monaten oder gleich ein halbes Jahr hilft eine Schülerin oder ein Schüler beim Einzelunternehmer aus. Dies im Rahmen des Jugendprojekts Lift – ein Projekt, das Jugendliche vor Ende der obligatorischen Schulzeit in Berührung mit der Arbeitswelt bringt; auch im «Projektbunker» von Dick. Ein niedriger Raum, viele Aktenschränke und Ordner. Einige hat Berfin beschriftet – mithilfe des Computers.
Berfin ist 16 Jahre alt. Lange Haare, Zahnspange, Kapuzenpulli. Die Schülerin hilft wöchentlich an einem Nachmittag mit. Buchhaltung führen, Präsentationen vorbereiten, Dokumente schreddern und archivieren. Sie ist bereits die 16. Jugendliche, die anstehende Büroarbeiten im Rahmen von Lift im Projektbunker erledigt.
In der ganzen Schweiz gibt es Schulen, die dem Jugendprojekt Lift angehängt sind. Die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe können sich freiwillig für Arbeitseinsätze bewerben. Sie kriegen 5 bis 8 Franken pro Stunde und am Schluss auch ein Zeugnis für den Einsatz. Im Kanton Solothurn machen 12 Schulen mit.
Die Schule Biberist ist seit 2011 dabei. Marianne Schönmann ist die Lift-Ansprechperson. Sie rekrutiert Firmen, vermittelt Schüler, begleitet die Einsätze. Schönmann erörtert die Hintergründe des Projekts so: «Der Berufswahlprozess braucht Zeit. Die Jugendlichen sind durch die frühere Einschulung immer jünger, wenn sie die Lehre antreten. Das macht einiges schwieriger.» Zudem: «Es hat noch keinem geschadet, anzupacken.» Bisher haben alle Lift-Teilnehmenden von Biberist auch eine Lehrstelle gefunden. «Einige von ihnen hatten schulisch gesehen nicht die besten Startbedingungen», berichtet Schönmann.
Von den schweizweit 49 Teilnehmenden im Jahr 2018 haben knapp 70 Prozent eine Lehrstelle gefunden. Das Projekt soll den grossen Schritt in die Arbeitswelt etwas kleiner machen. Im Kanton Solothurn stehen jährlich vier Prozent der Schulabgänger ohne Anschlusslösung da; 2018 waren es 82.
Die Berufswahl – nicht immer ein einfaches Thema, das weiss auch Markus Dick vom Projektbunker. Ihm liegt das Thema am Herzen, er engagiert sich seit einigen Jahren im Dorf dafür. So hat er etwa im Rahmen der kantonalen Berufswahlplattform für Jugendliche, die keine Lehrstelle finden, eine Coachingfunktion inne.
Auch im Rahmen der Lift-Einsätze muss er coachen, Aufträge erklären – das kostet teilweise mehr Zeit, als die Arbeit selbst zu erledigen. Aber: Qualitäten, die die Jugendlichen in diesen Einsätzen lernten, könne man so deren künftigem Abnehmer – der Wirtschaft – weitergeben, ist Dick überzeugt. Er selbst könne zudem auch etwas Verantwortung abgeben. So schliesst Berfin etwa ab, wenn Dick früher wegmuss an einen Termin – oder Berfin erledigt selbstständig Aufträge, während der 49-Jährige Telefonate erledigt. Je nach Grösse des Betriebs kann durch ein Lift-Projekt allenfalls auch ein späteres Lehrverhältnis entstehen.
Nicht alle Arbeitgeber sehen das so. 10 Betriebe in der Region machen mit bei Lift-Biberist. Laut Schönmann ist es «Knochenarbeit», Betriebe zu finden, sie müsse hausieren, vorsprechen, argumentieren. Derzeit würden etwa Wochenarbeitsplätze im Detailhandel fehlen.
Das Projekt ist nicht vergleichbar mit einem Sommerjob – es geht nicht ums Geld. Die Einsätze wollen über Wochen Kontakt mit der Arbeitswelt herstellen – stellen also keinen kurzen Schnuppereinsatz für einen bestimmten Beruf dar. Sie finden zudem in der Freizeit der Jugendlichen statt. Ein Nachmittag die Woche, das sei kein grosser Verlust sagt Berfin. «Man lernt dazu», sagt sie schlicht.
Sie hat vor dem Einsatz in dem Projektbunker schon zwei andere Einsätze gearbeitet: Beide Male in einem Pflegeheim. So habe sie gelernt, auf Leute zu zugehen – und vor allem gemerkt, dass sie mit Menschen arbeiten wolle. Im Sommer beginnt die 16-Jährige nun die Lehre als Fachfrau Gesundheit. Und die Arbeit im Büro? Schliesslich müsse sie auch in der Pflege dokumentieren und archivieren, entgegnet Berfin. Und: «Manche Dinge lerne ich ja auch einfach für mich dazu» – auch, wie man mit dem Computer umgeht.