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Das ganze Schulhaus Heinrichswil kommt in der Adventszeit zusammen. Eine besondere Zeit, nicht nur für die Lehrerin, sondern auch für die Schüler.
"Milena, willst Du Zuckerguss?" Das Chindsgi-Kind Milena nickt. Ein Drittklässler reicht ihr das Schälchen über den Tisch. Die Kinder sitzen zusammen mit anderen Primarschülern und Kindergartenkindern zusammen im Klassenzimmer von Marianne Pfyl, Lehrerin an der Primarschule Heinrichswil. An diesem Tag wird hier nicht gelesen oder gerechnet, sondern Lebkuchensterne werden verziert. Kinderhände greifen nach Zuckersternen und patschen sie auf den Lebkuchen, die Grösseren schreiben mit Zuckerguss ihre Namen auf das Gebäck. Basteln und Dekorieren gehört in der Schule Heinrichswil zur Adventszeit, erklärt Marianne Pfyl, die hier schon seit rund zehn Jahren unterrichtet. Das Programm an diesem Tag ist aber noch etwas spezieller, weil zusätzlich noch das «Adventsritual» stattfindet. Alle machen mit – Lehrpersonen, Schüler und Chindsgi-Kinder.
Am Vormittag trifft sich das ganze Schulhaus in der Eingangshalle – Platz hat es genug: Nur rund 30 Kinder aus der Gemeinde Drei Höfe besuchen das Schulhaus in Heinrichswil. Farbiges Seidenpapier bedeckt die Eingangstüre, in der Mitte der Eingangshalle steht ein Tisch, dekoriert mit Tannenzweigen und Kerzen, an den Wänden hängen Samichläuse. Die Kinder sitzen im Kreis. Finken scharren über den Boden, Gspändli flüstern einander aufgeregt ins Ohr. «Die Kinder sind zappeliger als sonst», sagt Pfyl. «Sie wissen genau, wie oft sie noch schlafen müssen, bis Weihnachten ist.» Während den Wintermonaten tobten sich die Kinder auch weniger draussen aus, weshalb sie etwas aufgeladener in die Schule kämen. «Schhht», macht eine Lehrerkollegin von Pfyl. Das Gemurmel verstummt, ab und zu ist noch Gelächter oder das Kratzen von Stuhlbeinen über den Boden zu hören. Zwei Mädchen spielen unterstützt von ihrer Lehrerin auf der Geige ein Weihnachtslied vor, danach setzt sich Pfyl die Gitarre auf den Schoss und spielt das Lied weiter, die Kinder singen mit. Trotz deren Energie sei die Weihnachtszeit doch immer recht friedlich. «Und derzeit haben wir so viele Kinder, die gerne singen, das ist so schön!» Fünf Mädchen stehen auf, singen ganz alleine vor, die Arme schwenken unruhig neben den kleinen Körpern hin und her. Pfyl spielt und lächelt ihnen zu. Hier in der Schule erzählt sie, erlebe sie mehr Weihnachtsstimmung als bei sich zu Hause. Morgens, wenn es noch dunkel und ganz still ist, kommt sie in die Schule, zündet Kerzen an. «Und dann kommen die Schüler und Kindergärtler», sagt Pfyl lächelnd, deren eigene Kinder schon erwachsen sind.
Advent in der Heinrichswiler Schule bedeutet aber nicht einfach nur Basteln und Singen. Viele der Kinder sind noch katholisch oder reformiert und kennen die Weihnachtsgeschichte. Man wolle den Kindern auch etwas zu dieser Zeit vermitteln – nicht zwingend im religiösen Sinne, erklärt Pfyl. So erzählen die Lehrerinnen und Lehrer beispielsweise die Weihnachtsgeschichte, mit dem Hintergrund, warum es damals Volkszählungen gab, dass Maria und Josef nicht eben schnell mit dem Auto nach Bethlehem fahren konnten und dass der Weihnachtsstern den drei Königen den Weg gezeigt hat, weil diese eben noch keine Taschenlampen hatten und die Wege noch nicht von Strassenlampen erleuchtet wurden.
«Chinzgeler» hocken Primarschülern auf dem Schoss, auf einem Sofa in der Ecke sitzen ein Junge und ein Mädchen, sie hat die Arme um seinen Hals geschlungen, mit grossen Augen lauschen sie der Geschichte. Am Ende klatschen die Kinder. Als sie dann mit ihren Lebkuchensternen in den einzelnen Klassenzimmern verschwinden, um diese zu verzieren, wird es ganz still. Dann geht eine Türe auf. Eine Drittklässlerin kommt mit einem Löffel heraus. «Frau Pfyl hat gesagt, wir dürfen den Teig ausschlecken!» Auch das gehört zur Weihnachtszeit – sogar in der Schule.