Kinderbetreuung
Die Nachfrage nach Kinderkrippen-Plätzen im Kanton Solothurn ist gross – doch sie sind zu teuer

Der Kanton Solothurn ruft die Gemeinden zu höheren Subventionen für Kinderkrippen auf. Sie könnten 5000 bis 5500 Franken pro Krippenplatz ausgeben, ohne Mehrkosten zu verursachen.

Urs Moser
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Öffentliches Engagement für mehr Betreuungsangebote? Rechne: Ein Krippenplatz bringt 5000 Franken mehr Steuern.

Öffentliches Engagement für mehr Betreuungsangebote? Rechne: Ein Krippenplatz bringt 5000 Franken mehr Steuern.

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Es ist eine der grossen gesellschaftspolitischen Herausforderungen: Die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Familienleben und Berufstätigkeit unter einen Hut gebracht werden können. Zentral ist dabei ein ausreichendes Angebot an Plätzen für die sogenannte familienergänzende Kinderbetreuung. Davon ist man nach wie vor ein ganzes Stück entfernt. Im Jahr 2003 hat der Bund ein ursprünglich auf acht Jahre befristetes Impulsprogramm zur Förderung neuer Kindertagesstätten (Kitas) lanciert. Im vergangenen Herbst hat es das eidgenössische Parlament zum dritten Mal um vier Jahre verlängert. Die Finanzhilfen würden «nach wie vor einem grossen Bedürfnis entsprechen», wie das Bundesamt für Sozialversicherungen in einer kürzlich erschienenen Bilanz zum Programm schreibt.

Für den Aufbau neuer oder den Ausbau bestehender Betreuungseinrichtungen werden die Trägerschaften während maximal drei Jahren mit einer Anschubfinanzierung unterstützt. Das Programm hat auch im Kanton Solothurn einiges bewirkt, in anderen Kantonen allerdings mehr, wie ein näherer Blick in die Bilanz zeigt.

Von den bisher 373 ausgeschütteten Millionen flossen rund 6 Millionen in den Kanton Solothurn. In den vergangenen 16 Jahren wurden rund 80 Beitragsgesuche aus dem Kanton bewilligt, mit Unterstützung des Bundes wurden 612 neue Kita-Plätze für Kinder im Vorschulalter und 414 neue Plätze für schulergänzende Betreuungsangebote geschaffen.

Aktuell 1468 Kita-Plätze

Das sind auf den ersten Blick beeindruckende Zahlen, denn: Aktuell zählt man im Kanton Solothurn 63 Kindertagesstätten und Horte mit insgesamt 1468 Plätzen, die der kantonalen Bewilligungspflicht unterstehen. Ein sehr grosser Teil des Angebots ist demnach erst mit der Anschubfinanzierung des Bundes geschaffen worden. Auf den zweiten Blick entfaltet das Impulsprogramm im Kanton Solothurn aber dennoch eher unterdurchschnittliche Wirkung. Von den Kindern, für die potenziell ein Bedarf an Betreuungsplätzen bestehen könnte, leben 3 Prozent im Kanton Solothurn. Von den gesamtschweizerisch mit Bundesmitteln unterstützten Betreuungsplätzen wurden aber nur 1,7 Prozent im Kanton Solothurn geschaffen.

Staatspersonal wird unterstützt

Der Kanton stellt für neue oder den Ausbau bestehender Angebote der familienergänzenden Kinderbetreuung Startbeiträge aus dem Adolf Schläfli- Fonds zur Verfügung. Grundsätzlich ist die Subventionierung von Betreuungsangeboten im Kanton Solothurn aber allein Sache der Gemeinden.

Was der Kanton macht: Er unterstützt die Drittbetreuung als Arbeitgeber. Staatsangestellte erhalten an die Betreuungskosten einen monatlichen Beitrag von maximal 300 Franken. Die Beiträge werden für Kinder bis zum vollendeten 10. Lebensjahr ausgerichtet. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Beiträge an 195 Bezugsberechtigte in der Verwaltung, den kantonalen Schulen und an den Gerichten (ohne Spitäler und kantonale Anstalten) auf rund 388 000 Franken.

Und was vor allem auffällt: Nach einem eher verhaltenen Start in den ersten Jahren kamen zwischen 2011 und 2014 recht viele Projekte mit einer Anschubfinanzierung in Schuss, danach ist die Entwicklung aber wieder deutlich abgeflacht. Im Moment gibt es nur noch zwei bewilligte Gesuche für Kitas und fünf für schulergänzende Angebote aus dem Kanton Solothurn, für welche die Anschubfinanzierung noch nicht abgeschlossen ist.

Der Schein trügt

Das könnte natürlich auch ein positives Zeichen dafür sein, dass es allmählich ein ausreichendes Angebot gibt und gar keine grosse Nachfrage nach zusätzlichen Betreuungsplätzen mehr besteht. Tatsächlich melden 42 von 56 auf der Plattform kinderbetreuung-schweiz.ch registrierte Kitas im Kanton Solothurn noch freie Plätze. Der Schluss, im Feld der familienergänzenden Kinderbetreuung seien gar keine besonderen Anstrengungen mehr nötig, wäre aber dennoch nur die halbe Wahrheit – höchstens.

Dazu Markus Schär, Leiter der Fachstelle Familie und Generationen im kantonalen Amt für soziale Sicherheit: «Nach unserer Einschätzung ist die Nachfrage in den städtischen Regionen eher gesättigt. Weiter beobachten wir, dass der Schwerpunkt der aktuellen Aktivitäten der Trägerschaften und auch der Gemeinden für neue Betreuungsplätze sich etwas vermehrt hin zur schulergänzenden Kinderbetreuung bewegt.»

Ansonsten hätten aber die Feststellungen in einem Bericht zur Situation in der familienergänzenden Kinderbetreuung von 2016 nach wie vor Gültigkeit. Und dieser Bericht des Büros Ecoplan kam zu einem Zeitpunkt, als es nur noch drei neue Projekte mit einer Anschubfinanzierung des Bundes gab, eben durchaus zum Schluss, dass «subventionierte» Betreuungsplätze für Kinder im Vorschulalter fehlen.

Will heissen: Die Nachfrage wäre eigentlich schon da, aber die Krippen sind zu teuer.

Markus Schär bestätigt: «Eltern mit bescheidenerem Einkommen können sich nach wie vor nicht so viel Fremdbetreuung leisten, wie sie eigentlich nachsuchen würden. Ohne Vergünstigung der Tarife verzichten sie in der Folge nicht selten auf einen Ausbau der Berufstätigkeit.» Das erscheine in doppelter Hinsicht nicht sinnvoll, so Schär. Einerseits mit Blick auf die Diskussion über den Fachkräftemangel, anderseits rechnet sich ein Engagement zur Verbilligung von Kita-Plätzen für die Gemeinden.

Steuerliche Mehreinnahmen von 5000 bis 5500 Franken

Laut dem Ecoplan-Bericht von 2016 ist pro Kita-Platz mit steuerlichen Mehreinnahmen von 5000 bis 5500 Franken zu rechnen. Das heisst, die Gemeinden könnten sich bis zu diesem Betrag in der Subventionierung von Kita-Plätzen engagieren, ohne dass Mehrkosten für sie entstehen würden. Der Kanton empfiehlt deshalb den Gemeinden, in Betreuungsangebote zu investieren – vorzugsweise über die Abgabe von Betreuungsgutscheinen an die Eltern statt in Form von Betriebsbeiträgen an die Einrichtungen (Subjekt- statt Objektfinanzierung).

Seit Juli 2018 gibt es in Ergänzung zur Anschubfinanzierung für neue Kita-Projekte zusätzliche Finanzhilfen vom Bund zur Erhöhung der Subventionen, mit denen die Drittbetreuungskosten für Eltern gesenkt werden. Das Amt für soziale Sicherheit führt nun in den nächsten Wochen zusammen mit dem Verband der Einwohnergemeinden eine Umfrage bei den Gemeinden zu den aktuellen Subventionierungen und der Bereitschaft zu Subventionserhöhungen durch. Dann wird man einen aktuellen Überblick über die Situation und eine Grundlage für mögliche Gesuchseingaben haben.