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Kanton Solothurn
FDP-Schweiz-Präsidentin Petra Gössi dürfte nicht schlecht gestaunt haben: Die Post, die sie aus dem Kanton Solothurn erhalten hat, erlaubt ihr quasi einen Blick zurück in die Zukunft.
Petra Gössi erhält in den Dokumenten aus Solothurn eifrigen Zuspruch für ihr Bemühen, ihre Partei auf einen ökologischeren Kurs zu bringen.
Mitglieder der früheren «Reformgruppe der FdP Kanton Solothurn» liessen der Politikerin Unterlagen zukommen, in denen vehement gefordert wird, dass die FDP in der Umweltpolitik «nicht in die Rolle des abseitsstehenden, ohnmächtigen Bremsers und Kritikers gedrängt wird, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat». Indem die «Umweltproblematik herabgespielt oder gar als ideologische Propaganda abgetan wird, werden nötige Massnahmen nur hinausgeschoben», heisst es da weiter. Und: «Die Umweltbelastung wird sich immer rascher zu einer der wesentlichsten Fragen des Zusammenlebens und des globalen Überlebens entwickeln».
So weit so gut, ähnliche Ermunterungen dürfte Gössi in letzter Zeit – neben harscher Kritik – auch von anderer Seite erhalten haben. Was an den Forderungen aus dem Kanton Solothurn besonders ist: Sie sind stolze 36 Jahre alt. 1983 hat die «Reformgruppe FdP» – das damalige «liberale Gewissen», neudeutsch wohl «Think Tank», der Kantonalpartei – ihr «Grünes Manifest» verfasst. Darin wurde die (kantonale) Parteispitze unter anderem aufgefordert, «der unbedingten Notwendigkeit des Umweltschutzes in allen Bereichen der Politik – Gesellschafts-, Raumordnungs-Energie-, Verkehrs-, Landwirtschafts- und Wirtschaftspolitik – Rechnung zu tragen». Es sei ein Gebot der Stunde, dass «die FdP» – damals noch mit kleinem d geschrieben – «aktive Umweltschutzpolitik betreiben muss».
In einem Begleitbrief an Petra Gössi lobt Unternehmer Willi Menth die Parteipräsidentin auch im Namen von drei seinerzeitigen Reformgruppenleitern für die von ihr eingeleitete Kurskorrektur. «Wir möchten Ihnen Mut machen, allen aktuellen Widerständen zum Trotz, am eingeschlagenen Weg festzuhalten». Und auf Nachfrage wird der Nunninger noch deutlicher: «Angesichts der K(r)ämpfe, die in der Parteispitze geführt werden, sollte man sich die klare Meinung der Basis endlich zu Herzen nehmen und die einsichtigen Kräfte unterstützten – nicht dass Petra Gössi in den Wasserfallen noch untergeht.»
Die alten, «schon fast prophetischen» Reformgruppen-Papiere beweisen laut Willi Menth, «dass wir ‹grüne› Ideen schon längst zu unseren liberalen Handlungsmaximen gezählt haben». Hätten die Freisinnigen im Kanton und im Bund diese damaligen Forderungen aufgenommen und umgesetzt, hätte sie sich viele «verlorene Jahre ersparen können», ist Menth überzeugt. Im Brief an Petra Gössi schreibt er: «Die Geschichte zeigt, dass wir mit konsequentem Handeln den Einthemen-Parteien den steilen Aufstieg in der Politik hätten erschweren können.»
Die «Reformgruppe» des Solothurner Freisinns – damals selber noch breit abgestützte Volkspartei – sei allein schon mit Blick auf die von ihr behandelten Themen und auf die Zusammensetzung der Mitglieder – vom «gewöhnlichen» Basismitglied bis zum Regierungsrat – «einzigartig» gewesen, sinniert der Schwarzbube im Gespräch. Dass sich auch die Solothurner Kantonalpartei letztlich doch «zusehends nach dem Zürcher Freisinn ausgerichtet» hat, konnte allerdings auch die (inzwischen aufgelöste) «Reformgruppe» nicht verhindern. Laut Menth mit der Konsequenz, dass «einige frühere FDP-Mitglieder zur GLP und zu den Grünen gewechselt haben, weil sie den rechtslastigen und SVP-nahen Zürcher-Kurs nicht mehr mittragen wollten».
Nun aber setzt Menth auf den Durchhaltewillen und die Überzeugungskraft von Petra Gössi. Selbstverständlich habe er an ihrer Umwelt-Umfrage bei der schweizerischen Parteibasis auch mitgemacht. Dass das Resultat derart klar ausgefallen sei, sei müsse nun auf allen politischen Ebenen Konsequenzen haben – auch in der Kantonalpartei: «Sonst steht der Freisinn in ein paar Jahren wieder am gleichen Ort».
Entsprechend ist die Post der «Reformgrüppeler» auch an den aktuellen kantonalen Parteipräsidenten Stefan Nünlist und an den einzigen noch verbliebenen freisinnigen Regierungsrat, Remo Ankli, gegangen. «Grün», so sagt eine alte Redewendung, ist immerhin «die Farbe der Hoffnung» ...
«Mehr Freiheit nützt den Menschen nur in einer lebenswerten Umwelt», nahm die «Reformgruppe» damals zur «Mehr Freiheit, weniger Staat»-Politik der FDP Bezug. Einige Beispiele aus dem Papier von 1983:
- Eindeutige Fristen zur Umsetzung von Umweltvorgaben.
- Emissionen an der Quelle erfassen oder besser gar nicht erst entstehen lassen.
- Bei allen Entscheiden müssen vorweg die Zusammenhänge mit Umwelt und Natur berücksichtigt werden.
- Wirtschaftspolitik darf nicht losgelöst von Umweltaspekten betrieben werden.
- Konsequente Durchsetzung des Verursacherprinzips.
- Umgestaltung der Subventions- und Kontingentierungspolitik im Sinne einer umweltfreundlichen Landwirtschaftspolitik.