Am Pranger
Der Tierschützer, der Menschen plagt

Auf seiner Internetseite kämpft der radikale Tierschützer Erwin Kessler nicht nur gegen Tierfabriken. Er stellt auch Kaninchenhalter aus dem Kanton an den Pranger. Dabei verstossen gar nicht alle gegen den Tierschutz.

Lucien Fluri
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Erwin Kessler prangert auf seiner Website Kaninchenhalter an. Allerdings mit sehr unzimperlichen Methoden. (Symbolbild)

Erwin Kessler prangert auf seiner Website Kaninchenhalter an. Allerdings mit sehr unzimperlichen Methoden. (Symbolbild)

Unzimperliche Methoden gehören zum Repertoire von Erwin Kessler. Geht es ums Wohl der Tiere, kennt der radikale Tierschützer und Präsident des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) wenig Erbarmen.

Das bekommen einige Kaninchenzüchter aus der Region am eigenen Leib zu spüren. Kessler stellt sie seit Jahren an den Internetpranger. Die Hobby-Züchter stehen dort mit vollem Namen, werden als «uneinsichtige Käfigkaninchenzüchter» und als «skrupellose Hobby-Tierquäler» gebrandmarkt. Dabei verstossen einige der Halter längst nicht gegen das Gesetz.

Nicht nur mit Bildern der Stäle operiert der Verein gegen Tierfabriken. Namen, Adressen, Telefonnummern oder Arbeitgeber werden im Netz verbreitet. Bilder der Wohnhäuser finden sich ebenfalls.

Nicht nur mit Bildern der Stäle operiert der Verein gegen Tierfabriken. Namen, Adressen, Telefonnummern oder Arbeitgeber werden im Netz verbreitet. Bilder der Wohnhäuser finden sich ebenfalls.

Screenshot

Aus Boningen, Biberist, Gänsbrunnen, Lostorf, Selzach oder Oberbuchsiten werden Kaninchenhalter aufgelistet. Kessler nennt ihre Telefon- und Natelnummern, er nennt Arbeitgeber, er zeigt Fotos ihrer Häuser. «In diesem riesigen Wohnhaus lässt es sich K(...) gut gehen, während seine lebenslänglich in kleinsten Kästen eingesperrten Kaninchen leiden müssen», steht etwa neben einem Foto.

Diese Zeitung hat mit mehreren Haltern gesprochen. Für sie hatte die Auflistung Folgen. Sie erhielten anonyme Anrufe und Briefe. Für die Betroffenen kann allein die Auflistung rufschädigend sein: Wer ihre Namen googelt, stösst schnell auf die Einträge.

«Man kann sich nicht wehren», sagt Hans K. aus Lostorf, dessen Haus abgebildet ist. 47 Jahre hat er Kaninchen gezüchtet. Nachdem er 2014 auf Kesslers Homepage erschien, kam der Tierarzt. «Die Ställe waren wenige Zentimeter zu klein», sagt er.

Die Tiere hat er alle abgetan. «So verleidet ist es mir.» Doch damit war der Fall nicht beendet. Obwohl er seit bald zwei Jahren keine Kaninchen mehr hat, bleibt er aufgelistet und erhält noch immer anonyme Anrufe. «Meine Frau wurde wüst beschimpft», sagt der Mann.

Er beteuert: Seine weissen Zuchtkaninchen habe er vor Ausstellungen nie putzen müssen, so sauber seien sie gewesen. Böse Absichten habe er nie gehabt.
Martin S. aus dem Thal wird mit Adresse, Natelnummer und Arbeitgeber auf der Homepage genannt. Auch er erhielt Briefe und Telefonate, in denen er beschimpft wurde. Nachdem er aufgelistet wurde, liess er seine Kaninchenställe ausmessen.

«Es hat zu keiner Beanstandung geführt», sagt S. Er hat sich überlegt, vor Gericht zu gehen. Nach Rücksprache mit seinem Rechtsschutz liess er davon ab. Er fürchtete ein zeitraubendes und teures Verfahren.

«Erlaubte Tierquälerei»

Erwin Kessler hat keine Angst vor Klagen. «Wir weisen darauf hin, dass es ‹erlaubte Tierquälerei› ist», sagt der Präsident des VgT auf Anfrage. «Wir werfen niemandem eine Straftat vor.» Doch warum tut er das? Kessler kritisiert die Einzelhaltung.

Genauso wie Meerschweinchen würden auch Kaninchen in Gruppen leben. Während bei den Ersteren das Gesetz die Einzelhaltung verbietet, ist es bei Kaninchen nach wie vor erlaubt. Kessler führt dies darauf zurück, dass es so viele Kaninchenzüchter in der Schweiz gibt.

Vor allem aber hält Kessler die Mindeststandards, die das Gesetz bezüglich Platz vorschreibt, für völlig ungenügend und für quälerisch. «Die Mindeststandards als Bauanleitung für Kaninchenkästen zu nehmen, ist schlicht pervers.»

Viele Meldungen beim Amt

Kaninchen, die falsch gehalten werden, sind tatsächlich ein Problem. Jede siebte Meldung, die beim kantonalen Veterinärdienst eingeht, bezieht sich auf falsch gehaltene Kaninchen. «Im Jahr 2016 sind bisher 17 Kaninchenhaltungen gemeldet worden», erklärt der stellvertretende Kantonstierarzt Otto Maissen auf Anfrage. Zwölfmal wurden Mängel festgestellt. «Wir begegnen zum Teil Tierhaltern, welche nicht über das nötige Wissen einer artgerechten Kaninchenhaltung verfügen», so Maissen.

In den meisten Fällen muss der Veterinärdienst das Fehlen von benagbaren Objekten und Rückzugsmöglichkeiten, zu wenig Licht und zu kleine Ställe beanstanden. Ob einige der von Erwin Kessler angeprangerten Kaninchenhalter gegen die Tierschutzverordnung verstiessen, kann der kantonale Veterinärdienst aus Gründen des Datenschutzes nicht sagen.

Hinweisen, so Maissen, werde aber konsequent nachgegangen. Der kantonale Veterinärdienst muss jedoch «nur» überprüfen, ob die gesetzlichen Vorschriften eingehalten sind. Diese Vorschriften schliessen die von Kessler kritisierte ausschliessliche Stallhaltung nicht aus.

Recht auf Vergessen?

Auch der Name von Sacha Gelbhaus findet sich auf Kesslers Liste. Als Leiter des Altersheims «Läbesgarte» wird er für die dortige Kaninchenhaltung angeprangert. Gelbhaus lässt sich davon nicht beeindrucken. Die Haltung sei rechtlich korrekt, sagt Gelbhaus.

Ein Auslauf wurde seit dem Eintrag noch hinzugebaut. «Ich nehme den Eintrag nicht mehr ernst, auch wenn er rufschädigend ist», sagt Gelbhaus. Er rechnet damit, dass sich der VgT durch sein militantes Handeln selbst disqualifiziere.

Doch warum werden nicht wenigstens alte und fehlerhafte Einträge gelöscht? «Wir können nicht alles ständig überprüfen», sagt Kessler. «Sobald wir aber von einer Verbesserung erfahren, passen wir die Homepage an.» Wie das aussieht, zeigt sich auf der Homepage. Von 2007 stammt der Eintrag über einen Kaninchenhalter in Biberist.

Nur klein steht heute da: «Nachtrag vom September 2008: Erfolg: Kaninchenhaltung stillgelegt!» Ein Recht auf Vergessen scheint der Landwirt S. aus Biberist in den Augen von Erwin Kessler nicht zu haben.

Wie halte ich Kaninchen richtig?

Eigentlich sind Kaninchen scheue Wildtiere. Trotzdem sind sie gerade als Haustiere für Kinder beliebt. Die Tierschutzverordnung setzt für Halter nur rudimentäre Vorgaben. So ist für Kaninchen, die weniger als 2,3 Kilo wiegen nur eine Grundfläche von 3400 cm3 vorgeschrieben. Über die Mindestanforderungen hinaus gibt der kantonale Veterinärdienst folgende Tipps:

- Gehege für Kaninchen müssen so geräumig sein, dass diese darin hoppeln und auch mal «Männchen» machen können. Am Boden braucht es Einstreu wie Stroh oder Rindenschnitzel. Die Tiere brauchen dunklere Rückzugsbereiche, wenn sie sich bedroht fühlen oder Artgenossen ausweichen wollen.

- Um ihre Jungen ungestört aufzuziehen, brauchen Häsinnen eine Nestkammer. Diese müssen sie mit geeignetem Nestmaterial und ihrem Bauchhaar auspolstern können. Wichtig ist zudem, dass die säugenden Zibben sich von ihren Jungen z. B. auf eine erhöhte Fläche oder in ein anderes Abteil zurückzuziehen können.

- Kaninchen können gut das ganze Jahr in einem Gehege im Freien leben. Dort können sie auch wirklich graben. Draussen brauchen sie aber Schutz vor Hitze, Kälte und Nässe sowie vor Feinden. Das Gehege sollte einen grossen, trockenen Stall, viele Unterschlüpfe sowie einen in den Boden eingegrabenen Zaun haben.

- Nässe führt oft zu Erkrankungen der Pfoten. Daher muss der Boden im Gehege trocken und sauber bleiben. Einstreu sollte möglichst wenig Staub bilden, damit es nicht zu Augenentzündungen kommt. Zu lange Krallen sind fachgerecht zu schneiden.

- Kaninchen sind gesellige Tiere und sollten, wenn immer möglich, in Gruppen gehalten werden. Am besten stellt man Gruppen mit jungen Tieren zusammen. In bestehende Gruppen von mehr als vier Monate alten Tieren neue Tiere einzuführen, kann schwierig sein, weil es zu heftigen Kämpfen um die Rangordnung kommt. Jungtiere dürfen in den ersten acht Wochen nie einzeln gehalten werden.

- Neben Platz für Bewegung benötigen Kaninchen Beschäftigungsmöglichkeiten. Sonst können aus Langeweile Verhaltensstörungen entstehen, z. B. Gitternagen. Fürs Nagen eignen sich Weichholzstücke und frische Äste von ungiftigen und ungespritzten Sträuchern. Zusätzlich können getrocknete Maiskolben, Äpfel oder Rüben angeboten werden.

- Kaninchenfutter und Wasser muss frisch und unverdorben sein. Viel Heu als Grundfutter sorgt mit seiner groben Strukturierung dafür, dass die Kaninchen intensiv kauen müssen und so die Backenzähne abgerieben werden. Heu fördert durch den hohen Rohfasergehalt auch die Verdauung und sollte aufgrund des komplizierten Verdauungssystems der Tiere möglichst permanent zur Verfügung stehen. Salat, Gräser, Kräuter und Gemüse wie Gurken sowie Wurzeln und Rinde ergänzen den Speiseplan.