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«Der Frühjahrsputz ist gut für Haus und Seele»

Früher war der Frühlingsputz gang und gäbe, heute ist davon nicht mehr geblieben als der Begriff. Denn der Frühlingsputz wie man ihn früher kannte, sah ganz anders aus als der Frühjahrsputz von heute.

Fränzi Rütti-Saner
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Nina Meier blättert in ihrem alten Haushaltlehrbuch.

Nina Meier blättert in ihrem alten Haushaltlehrbuch.

Fränzi Rütti-Saner

«Frühlingsputz?», die 70-jährige Nina Meier aus Bolken lacht verschmitzt. «Das war früher gang und gäbe. Heute weiss fast niemand mehr etwas darüber, geschweige denn, dass noch jemand einen Frühjahrsputz macht.»

Nina Meier kennt sich mit allem, was Haushalt und Putzen betrifft, sehr gut aus. Die Bäuerin und Krankenschwester arbeitet mit beim «Haushaltservice Solothurn», dem Dienstleistungsangebot des Solothurnischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes.

Seit fünf Jahren, seit ihrer Pensionierung, ist sie in diesem Unternehmen haushaltend und putzend in einem Teilzeitpensum tätig, und es gefällt ihr sehr gut. «Als ich pensioniert wurde, hab ich mal angefragt, ob ich trotz Pensionierung meine Dienste anbieten könne», erzählt die quirlige Frau. «Das war kein Problem», und doch habe sie in einem Auffrischungskurs noch einiges an neueren Putzmethoden kennen gelernt.

Ein Frühlingsputz werde aber von ihren Kundinnen und Kunden nicht verlangt, sagt sie. «Meistens heisst es bei einem grösseren Putzeinsatz: bitte Fenster und Storen reinigen.» Es seien meist ein- bis dreistündige Einsätze, die sie in der näheren und weiteren Umgebung ausführe. «Ein ganz normaler ‹Wuchechehr› ist die Regel».

So ging der Frühlingsputz früher

Den eigentlichen Frühlingsputz kennt sie aber noch von früher. Als Bauerntochter, im Luzerner Hinterland aufgewachsen, hat sie noch die grossen Wäsche- und Putztage, wie sie früher praktiziert wurden, in Erinnerung.

«Der Frühlingsputz begann eigentlich mit den Frühlings-Waschtagen. Man sammelte alle Wäschestücke, die sich über den Winter hin angehäuft hatten, zusammen, insbesondere natürlich die Bettwäsche.

Dann begann man die Wäsche einzuweichen, danach zu kochen und schliesslich aufzuhängen. Es musste schönes Wetter sein für diese Prozedur». Die Männer hätten dabei lediglich die Wäscheleinen montiert, sagt Nina Meier.

«Dann gings an den Frühjahrsputz. Zimmer für Zimmer wurde ausgeräumt. Zuerst die Stuben, dann die Schlafzimmer, die Küche - vom Estrich bis in den Keller kam alles dran. Die Möbel wurden weggeschoben, die Kästen ausgeräumt, geputzt und dabei Altes und Verfallenes weggeschmissen.

Die Decken und Wände wurden von Staub und Spinnweben befreit. Die Matratzen wurden geklopft und gebürstet. Die Fenster wurden geputzt und die Vorhänge gewaschen.

Drei Tage

Die ganze Putzerei dauerte mindestens drei Tage. Die gesamte Familien hätte da mitgeholfen, selbstverständlich die Kinder und die Grosseltern, die meist auch in den Häusern mitlebten.

«Es gab weder Staubsauger noch Waschmaschine, vielerorts nicht mal Strom», erinnert sich Meier an die mühsame Arbeit. In der Regel war das Ziel , an Ostern oder spätestens bis zum Muttertag, mit allem fertig zu sein», sagt sie.

Zum Waschen wurden Kernseife (Seifenflocken), Soda und später die neuzeitlichen Waschmittel wie Persil, Omo, Radion und Angora, verwendet. Kleider wurden generell aber früher viel weniger gewaschen als heute.

«Man versuchte die Stücke mittels Fleckenbehandlung sauber zu halten und hängte sie zum Verlüften nach draussen. Erst wenn es gar nicht mehr ging, wusch man alles.»

Nicht mehr nötig

Auch heute noch verspüren viele den Drang zum Frühlingsputz, auch wenn das in der heutigen Zeit in dieser Form nicht mehr nötig ist. «Wir gehen heute schon anders mit Schmutz und Putzen um als früher, sagt Meier.

«Man achtet besser und ständig auf Sauberkeit, hat auch bessere Mittel und Instrumente dafür, was einen solchen grundlegenden Frühjahrsputz nicht mehr nötig macht. Und: «Man trug früher auch viel mehr Schmutz ins Haus als heute.»

Und doch: Der Frühjahrsputz ist noch nicht ganz aus den Köpfen verschwunden, auch wenn er nicht mehr in der so ausgeprägten Form zu finden ist.

Nina Meier putzt im Frühling mit Sicherheit einmal ihr ganzes Haus gründlicher als üblich. «Man fühlt sich besser, wenn man ein Zimmer wieder mal grundlegend herausgeputzt hat, oder frisch gewaschene, wohlriechende Vorhänge an den frisch geputzten Fensterscheiben leuchten.

Es ist, wie ein neues Kleid zu kaufen: ein Glücksgefühl». Nina Meier schmunzelt. Sie nimmt ein altes Hauswirtschaftslehrmittel aus dem Jahr 1950 zur Hand, welches Sie selbst noch in der Schule benutzte.

Darin steht einleitend zum Thema Frühlingsputz, welcher dort detailliert beschrieben wird: «Es ist grad, als ob man mit der Natur Schritt halten möchte, die sich wieder zu neuem Glanze, sozusagen gereinigt, zeigt.»