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Kanton Solothurn
In Bellach ist mit der Carrosserie Hess AG ein in Sachen Elektrobusse international erfolgreiches Unternehmen ansässig. Der Busbetrieb Solothurn und Umgebung gab aber Scania in Schweden den Zuschlag für seine ersten Elektrobusse. Man habe gar keine andere Wahl gehabt, heisst es beim BSU.
Eigentlich hätte es ja eine Positivmeldung werden sollen, für die man Beifall einheimst: Der Busbetrieb Solothurn und Umgebung (BSU) und der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) beginnen damit, ihre Busflotte von Diesel auf klimaschonenden Elektrobetrieb umzustellen. Stattdessen brach ein regelrechter Shitstorm in den sozialen Medien und den Leserbriefspalten auf die Unternehmen ein, weil der Auftrag für die ersten fünf Elektrobusse nicht etwa an die in diesem Geschäft bestens etablierte hiesige Carrosserie Hess AG in Bellach, sondern an Scania nach Schweden ging.
Jetzt gehen die Verkehrsbetriebe in die Gegenoffensive und laden den kantonalen Gewerbeverband (aus dessen Reihen die Kritik hauptsächlich kam) dazu ein – man könnte auch von einer Herausforderung sprechen – zusammen an einem runden Tisch «über die Energiewende beim BSU zu diskutieren und uns dabei zu unterstützen, den öffentlichen Verkehr und damit die Region zu stärken».
Man erinnere daran, dass auch der BSU eine in der Region verankerte Unternehmung mit 120 Mitarbeitenden sei. Polemik diskreditiere nicht nur dieses lokal verankerte Unternehmen, sondern auch seine Mitarbeitenden, heisst es in einem offenen Brief, der vor dem Wochenende an den Gewerbeverband ging.
Für die Gesprächsrunde dürfte man etwa anstehende politische Entscheide wie die Aufhebung der Plafonierung des Globalbudgets des Kantons für den öffentlichen Verkehr im Auge haben, ohne die eine Förderung der «Dekarbonisierung» des Busverkehrs durch die öffentliche Hand nicht machbar ist, wenn das Verbindungsangebot darunter nicht leiden soll.
In dem offenen Brief legen die Busbetriebe so weit es ihnen erlaubt ist auch Details zum Ausschreibungsverfahren offen, das schliesslich zur Vergabe des Auftrags an die Schweden führte. Zusammenfassend lässt sich sagen: Selbst bei einer deutlich tieferen Gewichtung des Preises hätte Scania die Ausschreibungskriterien mit über 400 Muss- und Soll-Vorgaben am besten erfüllt. Und das heisst in einem Submissionsverfahren nach den Bestimmungen des öffentlichen Beschaffungsrechts: Der Auftrag hätte an gar niemand anderen vergeben werden dürfen, selbst wenn man das gewollt hätte.
Wie penibel hier die Vorgaben sind, zeigt ein eben ergangenes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Die BLS muss den Auftrag für die Sanierung des Weissensteintunnels wegen einem Berechnungsfehler hinter dem Komma anders (und notabene teurer) vergeben als es beschlossen worden war. Im Fall der BSU-Busbeschaffung ging übrigens keine Beschwerde ein.
Für den Busbetrieb natürlich ein weiterer «Entlastungsbeweis» dafür, dass im Submissionsverfahren alles mit rechten Dingen zu- und herging. Dass man bei Scania bloss einen Prototypen bestellt haben soll oder dass die Ausschreibungskriterien so gestaltet worden sein sollen, dass Hess von vornherein nicht gewinnen konnte, wird in dem vierseitigen Schreiben an den Gewerbeverband ins Reich der Märchen verwiesen.
Das «Problem» sei vielmehr: Die Bellacher sind international erfolgreich, weil sie in Spezialanfertigungen und Nischen stark sind – sogenannte Streckenlader (Aufladung während dem Tagesbetrieb an Linien-Endstationen), Trolleybusse, lange Doppelgelenkbusse, Flughafenbusse. Für Solothurn und Umgebung waren aber Normmass-Busse und Depotlader (Aufladung über Nacht nach Betriebsschluss) gefragt, quasi ein Produkt «von der Stange». Und das kann die Konkurrenz eben genauso gut.