Mobilität
Bald sollen auf Solothurner Strassen elektrisch betriebene Busse verkehren

Baudirektor Roland Fürst möchte ein Elektrobus-Pilotprojekt im Kanton starten. Nicht nur weil Elektrobusse den öV der Zukunft prägen werden. Auch weil der Bellacher Busbauer Hess hier vorne mit dabei ist.

Lucien Fluri
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Baut bereits an der Mobilität der Zukunft: Alex Naef, CEO und Inhaber der Bellacher Carrosserie Hess AG.HP. Bärtschi

Baut bereits an der Mobilität der Zukunft: Alex Naef, CEO und Inhaber der Bellacher Carrosserie Hess AG.HP. Bärtschi

Bald sollen auf Solothurner Strassen elektrisch betriebene Busse – vorerst in einem speziellen Testbetrieb – verkehren. Das kündigte Baudirektor Roland Fürst am Mittwochabend am Wirtschaftsgipfel der kantonalen CVP an. Im Frühjahr 2018 will Fürst ein entsprechendes Projekt in die Regierung und dann in den Kantonsrat bringen. Heute fahren 87 Prozent der im Kanton eingesetzten Busse mit Diesel; 13 Prozent mit Gas- oder Hybrid-Antrieb.

Der Wirtschaftsgipfel, an dem Fürst die Neuigkeit verkündete, fand, nicht zufällig, in der Bellacher Carrosserie Hess statt. Der einzige Busbauer der Schweiz mischt europaweit vorne mit, wenn es um Elektrobusse im öffentlichen Verkehr geht. «Im Busbetrieb wird in den nächsten 5 bis 10 Jahren passieren, was bei der Eisenbahn vor 100 Jahren geschah», sagte denn auch Alex Naef, CEO und Firmenbesitzer. «Nämlich der Wechsel vom Dieselmotor auf den Elektrobetrieb.» Naef ist überzeugt, dass der elektrische Stadtverkehr rasch und stark an Bedeutung gewinnen wird.

Der Chauffeur bleibt

Hess-CEO Alex Naef stellt einen Trend hin zu längeren Bussen fest. Das führt er auf Frequenzsteigerung im öV zurück. Dieser könnte zwar auch mit Taktverdichtungen begegnet werden. Weil aber rund 60 Prozent der Kosten auf den Chauffeur entfallen, würden lieber grössere Fahrzeuge eingesetzt, so Naef.

Und wird deshalb dann der Chauffeur aus Kostengründen auch bald durch den selbstfahrenden Bus ersetzt? Naef ist überzeugt, dass dies in den kommenden rund 20 Jahren nicht der Fall ist. Gerade im Stadtverkehr gebe es für selbstfahrende System zu viele Störfaktoren, auf die ein Chauffeur besser reagieren könne. Gewiss sei aber, dass zunehmend Assistenzsysteme zum Einsatz kommen. (lfh)

Weniger Lärm, mehr Umweltschutz

Begonnen hat dieser in den Werkhallen der Hess in Bellach allerdings schon. Dort ist die Zeit der Prototypen längst vorbei: Es werden bereits alltagstaugliche Elektrobusse gebaut. Hess bietet Fahrzeuge mit Elektrobatterie an, die regelmässig an den Haltestellen in Kürzestzeit aufgeladen werden. «Wir müssen immer wieder Garantien über die Verfügbarkeit und Alltagstauglichkeit abgeben», so Naef. «Sonst kommt es uns teuer.» Wie anspruchsvoll das sein kann, zeigte der Patron am Beispiel Genf: Dort gab es für Hess wegen des dichten Fahrplans keine Konzessionen bezüglich Ladezeit. Man hat an Haltestellen etwa 15 Sekunden Ladezeit, bevor der Bus wieder drei bis vier Kilometer weiterfahren muss.

Für seine Busse der neusten Generation musste Hess in ein ungewohntes Feld vorstossen. Technische Lösungen wurden gemeinsam mit der ETH und Fachhochschulen entwickelt. Als Technologiepartner ist die ABB in Turgi (AG) an Bord. Die Reduktion des CO2-Ausstosses, weniger Lärm und eine komfortablere Beschleunigung werden als Vorteile des Elektroantriebs genannt. Ein weiterer Vorteil ist für Unternehmer Josef Maushart, der als Präsident der CVP-Wirtschaftskommission zum Gipfel geladen hatte, dass bei Elektrobussen einheimische Energie genutzt werden kann. Das verbessere die Handelsbilanz der Schweiz. Für den Import fossiler Energie und von Uran fliessen jährlich 13 Milliarden Franken ins Ausland.

Es braucht eine neue Infrastruktur

Derzeit wird im Solothurner Baudepartement geprüft, auf welchen Strecken der Elektrobus-Einsatz sinnvoll sein könnte. Fürst möchte im Pilotprojekt etwa herausfinden, wie teuer die Busse kommen. Dabei gibt es ganz neue Herausforderungen: Zuerst muss abgeklärt werden, an welcher Haltestelle es laut Fahrplan genug Zeit für eine Ladestelle gibt. Und noch eine andere offene Frage wird früher oder später auf die öffentliche Hand zukommen. Für einen stärkeren Elektrobetrieb braucht es, anders als beim Dieselbus, auch die nötige Infrastruktur; sprich: Ladestationen an den Bushaltestellen. «Heute ist in der Schweiz kein Budget für die Bus-Infrastruktur vorgesehen», so Hess-CEO Alex Naef. «Das Thema aber kommt sehr schnell auf alle Kantone zu.» Bis zu eine halbe Million Franken kostet eine Station. Eine Herausforderung: Bereits aufgrund der Passagierzahlen sei absehbar, dass das heute plafonierte öV-Budget nicht mehr ewig ausreiche, so Regierungsrat Fürst.

Ein Bus mit der neuen Technologie sei um rund 80 Prozent teurer als ein herkömmlicher Diesel-Bus, sagte Hess-CEO Alex Naef. Auf die längere Lebensdauer von 20 bis 25 Jahren zahle sich die Anschaffung aufgrund tieferer Betriebskosten dennoch aus. Auf dem Dach eines E-Busses der Firma Hess finden sich Batterien und technische Installationen, die zwischen 2 und 3 Tonnen wiegen. Nur die Hälfte der Energie geht in den Antrieb. «50 Prozent werden für Nebenverbraucher benötigt», sagt Naef. Dazu gehören etwa Fahrgastinformationen oder Klimaanlagen. Während der Energieträger Diesel sehr kompakt und dicht ist, brauchen Batterien mehr Platz. «Wir wollen aber nicht Batterien transportieren, sondern Fahrgäste», so Naef. Leichtbau werde an Bedeutung gewinnen.

Hess hat in seiner Geschichte bereits grosse Erfahrung mit dem Elektroantrieb, nämlich beim Trolleybus. Dieser ist aber nicht besonders weit verbreitet: In der Schweiz sei das Antriebskonzept in zwölf Städten unterwegs, so Naef. «In Deutschland sind es drei. Weltweit 120.»

Das Solothurner Pilotprojekt müsse zwar ausgeschrieben werden, sagte Baudirektor Fürst. Ihm scheint es aber Herzensangelegenheit zu sein, dieses wenn schon, dann mit dem Solothurner Vorzeigebetrieb Hess durchzuführen. Bereits heute Freitag übergibt der Bellacher Familienbetrieb übrigens in Bern neue Trolleybusse an die Bernmobil.