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Gibt es eine Familie, die den Solothurner Freisinn besser verkörpert? Die Politikerdynastie Eng betreibt seit Jahrzehnten liberale Politik.
Franz Eng zögert keinen Moment. Blitzschnell erklärt der 91-Jährige, warum für ihn nur die FDP die richtige Partei ist: «Liberalismus ist mehr als Politik. Es ist eine Lebensphilosophie.» Toleranz, Humanismus oder die Freiheit, dass sich jeder selbst verwirklichen kann. «Liberalismus ist eine Leitlinie für die Lebensgestaltung», sagt Andreas Eng.
Es sitzen drei Männer am Tisch, deren Nachname Eng ist. Drei Juristen, die für die FDP politisieren. Welche, wenn nicht diese Familie steht für Solothurner FDP-Politik? Grossvater Franz Eng war ein politisches Schwergewicht unter der Bundeshauskuppel. Von 1971 bis 1987 sass er im Nationalrat, 1983 war er dessen Präsident. Zu freisinnigen Glanzzeiten stand der Günsberger Ehrenbürger der liberalen Bundeshausfraktion vor (1978-82).
Sohn Andreas, 58, war u.a. Kantonsrat und prägt seit 2008 als Staatsschreiber die Geschicke des Kantons mit. Und mit dem 25-jährigen Philipp Eng ist die dritte Generation in den Startlöchern: Er ist Präsident der kantonalen Jungfreisinnigen – und will am 20. Oktober in den Nationalrat.
«Man wächst hinein», erklärt Andreas Eng das ganz natürliche Rezept, mit dem der Freisinn der jeweils nächsten Eng-Generation eingeimpft wird. Zuhause am Mittagstisch wurde diskutiert und politisiert. Die kleinen Kinder wurden an Politveranstaltungen mitgenommen. «Du müsstest ein Ignorant sein, wenn Du in dieser Familie keine Politik mitbekommst», sagt Philipp Eng. Druck aber habe es nie gegeben. Liberal sagt Andreas Eng: Hätte sein Sohn eine andere Partei gewählt, hätte man dies auch akzeptiert. «Alles, ausser rechtsextrem.»
Lange schauen sich Franz und Andreas Eng an. Und doch fällt ihnen eigentlich kein Politgeschäft ein, bei dem sie sich in die Haare geraten wären. Etwas heftiger dagegen können die Diskussionen zwischen Andreas Eng und dem Jungfreisinnigen Philipp Eng ausfallen. «Er ist viel staatskritischer», sagt Vater Andreas Eng. «Der Staat hat Dich eingelullt», entgegnet Philipp Eng dem Staatsschreiber mit einem Lachen. Immerhin: «Hart, aber fair» seien die Diskussionen, bestätigen beide. «Wenn wir noch zu Wort kommen», sagt Andreas Eng. Philipp Eng ist für rhetorisches Feuerwerk bekannt. Dass Liberalismus für ihn zwangsläufig weniger Staat bedeute, bestreitet jedoch auch der Jüngste der drei Engs. Er nimmt die Bildungspolitik als Beispiel, wo sogar für ihn ein starker Staat Sinn ergibt – damit alle dieselben Chancen haben.
Franz Eng vertritt einen Freisinn alter Schule. Es gab zu seiner Zeit nur drei Parteien im Kanton. Konzerne waren nicht globalisiert, sondern lokal geführt. Und die freisinnigen Politiker waren Teil davon: Franz Eng war sowohl bei der Ascom, der Atel als auch bei Attisholz im Verwaltungsrat. Er erinnert sich an Wahlkampfzeiten, in denen die Kantonspolitik auch für nationale Wahlen prägend war. Wahlen, bei denen die freisinnigen Kandidaten nur gemeinsam auftraten und keiner mehr als 500 Franken einsetze. «Die Politik hat sich durch die Sozialen Medien stark gewandelt», so Franz Eng. Zwar ist Philipp Eng in den neuen Medien beschlagen, «doch manchmal wäre weniger davon im Interesse der Sache», sagt der 25-Jährige. Dass man quasi ständig im Rampenlicht stehe und in Echtzeit kritisiert werde, hindere die Suche nach Kompromissen.
Seit Franz Engs Zeiten hat der einst breite Freisinn an Wählerstimmen eingebüsst, hat Flügel verloren. «Die Partei ist schmäler geworden», sagt Andreas Eng. Die Parteienlandschaft wurde insgesamt fragmentierter, differenzierte Lösungen hätten es schweiriger. Rechts kam der Freisinn von der SVP unter Druck. Und links kam die GLP. Philipp Eng ist dennoch überzeugt, dass die FDP grosses Wählerpotential hat. «Der Freisinn hat die Verfassung und die Vorteile geprägt, die wir in der Schweiz haben.» Es gehe zu oft vergessen, dass dies alles nicht selbstverständlich sei.
«Stabil, aber keine grossen Gewinne», so die Wahlprognose der Engs für die FDP. Zwar habe man die Klimadebatte vernachlässigt, sagt Franz Eng. «Der Wechsel ging aber zu schnell.» Vielleicht profitiere gar die SVP von enttäuschten Freisinnigen, werweisst der alte Politfuchs.
Und: Hilft es der eigenen politischen Karriere, wenn man bekannte Vorfahren in der gleichen Partei hat? Oder schadet es eher? «Es hebt sich auf», sagt Andreas Eng. «Man ist auf dem Radar und ist mit den Sitten vertraut. Andererseits heisst es: Der muss nicht meinen, er könne, was ‹der Alte› kann.» Philipp Eng sieht es dagegen klar als Vorteil, auch wenn er in der Schule zu spüren bekam, dass sein Vater als Gemeindepräsident Entscheide traf, mit denen nicht alle einverstanden waren. «Der Name ist eine Plattform. Ich erhalte Zugang zu gewissen Kreisen und kann mich dort präsentieren.» Klar sei aber auch: «Es reicht nicht, der Sohn oder der Enkel zu sein. Man muss sich einen eigenen Namen machen.» (lfh)