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Jungbürgerfeiern: Ein Auslaufmodell oder gelebte Tradition? Der Regierungsrat jedenfalls stellt sich hinter die Gelöbnisse.
Christian Thalmann ahnte es ja schon: Mit seinem Vorschlag wird er kaum nur auf Sympathien stossen. Schliesslich ritzt er an einer Schweizer Institution. Der FDP-Kantonsrat aus Breitenbach will den Zwang zu Jungbürgerfeiern im Kanton Solothurn abschaffen.
Tatsächlich schlug ihm einige Empörung entgegen, nachdem diese Zeitung über seine Forderung berichtet hatte. «Die Jungbürgerfeier markiert den Eintritt der Jugendlichen in die staatsbürgerlich politische Existenz und soll die damit verbundenen Rechte und Pflichten in Erinnerung rufen», schrieb der frühere Botschafter und SVP-Mann Johannes B. Kunz in einem Leserbrief.
Die FDP entlarve sich nun als Partei, «der ein solches Staatsverständnis offensichtlich fremd ist». Ein anderer Leserbriefschreiber bezeichnete Jungbürgerfeiern als «Muss für eine gesunde Gesellschaft». Und SVP-Kantonsrat Walter Gurtner empörte sich: Es sei unglaublich, wie die FDP «mit unseren Traditionen und Freiheitswerten umgeht».
Dabei bezeichnet sich Thalmann selbst als jemand, der Traditionen hochhalte. Und trotzdem will er mit einer solchen brechen: Die Jungbürgerfeiern würden nämlich zum Auslaufmodell verkommen. Die Teilnahme ist freiwillig.
Viele bleiben der Veranstaltung fern. Bisweilen sind mehr Funktionäre als Jungbürger dabei. Das mit der Jungbürgerfeier verbundene Gelöbnis findet Thalmann zwar «edel und erstrebenswert». Aber man müsse einräumen, dass dieser Ansatz in der Praxis kaum mehr taugt. Zumal das Gelöbnis rechtlich ohnehin nicht bindend sei.
Als Folklore darf es trotzdem nicht abgetan werden: Die Feiern und das Gelöbnis sind in einer Verordnung des Regierungsrats geregelt. Demnach sind Schweizer Bürger, die soeben das Stimmrecht erlangt haben, «von den Einwohnergemeinden mit einem Gelöbnis aufzunehmen». Genau diese Verordnung will Thalmann abschaffen.
Der Regierungsrat hält davon jedoch herzlich wenig: Seine nun veröffentlichte Stellungnahme zum Auftrag von Thalmann gleicht einem eigentlichen Loblied auf die Jungbürgerfeiern. Es sei zwar nicht von der Hand zu weisen, dass die Identifikation vieler junger Menschen mit ihrem Wohnort abgenommen habe.
Das zeigt sich laut der Regierung eben auch an Jungbürgerfeiern. «Gleichzeitig ist festzuhalten, dass es auch viele Gemeinden gibt, in denen die Jungbürgerfeiern gut besucht sind.»
Die Gründe dafür seien vielfältig: In der einen Gemeinde ist es die Attraktivität des Programms, in der anderen geniesse die Feier schlicht einen guten Ruf. Und für manche Jungbürger sei die Aufnahme in den Kreis der Stimmberechtigten eben von Bedeutung und Wert. Gerade für jene, die sich für das Gemeinwesen engagieren wollen.
Der Regierungsrat wehrt sich auch gegen die Annahme, dass die Feiern vor allem eine Belastung oder Pflichtausgabe für die meisten Gemeinden sei. Vielmehr dürfe man von einem «freudigen und feierlichen Anlass» sprechen.
Einerseits seien die Feiern für die Jungbürger gut, um mit den Behörden in Kontakt zu treten. Andererseits könnten Gemeinden auch Leute für Behördenämter ansprechen.
Schliesslich erinnert die Regierung daran, dass die Gemeinden einzig dazu verpflichtet sind, den Jungbürgern das Gelöbnis abzunehmen. In welchem Rahmen sie das tun, steht ihnen frei.
Schon heute verzichten viele auf eigene Feiern – sie verbinden die Gelöbnisse etwa mit der Gemeindeversammlung. Deshalb findet der Regierungsrat: «Es ist den Gemeinden zuzumuten, die Abnahme des Gelöbnisses anzubieten. In welchem Rahmen auch immer.»
Feiern für Jungbürger (und auch für Neubürger) haben in Solothurn Tradition. Lange war ihre Aufnahme in einem eigenen Gesetz geregelt. Die Jungbürger mussten an den Feiern teilnehmen – oder sich schriftlich entschuldigen und ihr Gelöbnis später abgeben.
Die heutige Verordnung sieht zumindest noch vor, dass die Solothurner Gemeinden ein Gelöbnis für die Jungbürger anbieten müssen. (sva)