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Kann man machen: Beatrice Kaufmann fährt ihren knallroten Fiat nuova 500 einfach, weil sie Freude daran hat. Anlässlich unserer Sommerserie haben wir sie und ihr «härziges» Auto besucht.
Dieser Teil unserer Sommerserie kam eigentlich rein zufällig zustande: Beatrice Kaufmann war mit dem schmucken kleinen Wagen in die Stadt gefahren, um einige Besorgungen zu erledigen.
Sie stellte den kleinen, roten Fiat in der Marktstrasse ab, wo sie der Autor entdeckte und beschloss, über dieses Auto müsste eigentlich auch ein Artikel geschrieben werden. Denn dieses «Autöli» fällt dermassen auf – es ist einfach nur «härzig».
Der Umstand, dass im letzten Jahr in Grenchen das 10 000. Auto eingelöst wurde, veranlasst uns, näher hinzuschauen. Was meinen Politiker zur «Autostadt Grenchen», fragten wir im ersten Teil unserer Sommerserie. Wir wollen einige der besonderen Fahrzeuge vorstellen, die auf Grenchens Strassen unterwegs sind. Heute sind wir bei Beatrice Kaufmann und ihrem Fiat Nuova 500.
Bisher erschienen:
- Der Jaguar SS von Urs Lerch aus dem Jahr 1937.
- Der Fiat 126 von Alex Kaufmann mit Jahrgang 81.
- Der Rolls Royce Phantom von Mathias Mühlemann.
- Der Morgan «Threewheeler» von Daniel Graf.
- Der Tesla 85S von Rudolf Feller.
- Der VW 411 Variant LE von Matthias Schär.
Beatrice Kaufmann hatte das Fahrzeug vor vier Jahren bei einem Bekannten entdeckt. Der Fiat mit Jahrgang 69 stand in einer Halle, der Besitzer hatte vor, ihn instand zu stellen. Sie habe den Bekannten etliche Male darum gebeten, ihr das Auto zu verkaufen.
«Ich fand es einfach so niedlich und wollte es unbedingt besitzen, um damit rumzufahren, aber er wollte mir den Wagen einfach nicht geben.» Nach vier Jahren lenkte er dann doch ein und sie konnte den zwar fahrtüchtigen aber nicht verkehrstauglichen Fiat im Mai diesen Jahres an einem Sonntagmorgen, an dem einfach alles gestimmt habe, wie sie sagt, erwerben.
Sie liess in der Folge zwei Expertisen für eine Instandstellung machen. Die eine Werkstatt hätte den Fiat in den Originalzustand versetzt, mit Original-Interieur, Originalfelgen, mit Veteraneneintrag– das ganze Paket.
Aber einer der Vorbesitzer hatte die original braunen Sitze gegen weisse mit roten Streifen ausgewechselt, Ferrari-rote Felgen an den Ferrari-roten Wagen montiert und auch das ganze Interieur rot-weiss gestaltet. «Ich habe halt ein Frauendenken, nicht ein Autodenken: Mir gefiel das Auto mit den weiss-roten Sitzen, ich wollte keinen Oldtimer, sondern ein Auto zum Rumfahren.»
Also wurde das Auto in einer anderen Werkstatt wieder in einen verkehrstauglichen Zustand versetzt und geprüft. Ohne Veteraneneintrag und für bedeutend weniger Geld.
Über die Vorgeschichte des Autos weiss Beatrice Kaufmann nur so viel: 1981 sei der Wagen offenbar an einen Ferrari-Fan verkauft worden, der damit begonnen hatte, ihn für sich herzurichten. Dann wechselte er dreimal den Besitzer. 1986 wurde ein neuer Motor eingebaut, aber der Fiat wurde damit nur gerade 17 Kilometer weit gefahren – so viel hatte er auf dem Tacho, als Beatrice Kaufmann ihn kaufte.
Nun ist der Fiat ihr Sommerauto. Ein Zweitwagen mit Wechselnummer für schönes Wetter. Eigentlich fahre sie sonst lieber grosse, schnelle Autos, sagt Beatrice Kaufmann, die auch einen Audi Q3 ihr eigen nennt. Aber der Fiat sei einfach «jö». Sie sei auch kein ausgesprochener Fiat-Fan, obschon «auf den Rückbänken von Fiat 500 ganze Generationen gezeugt wurden, wie man sagt», meint sie schmunzelnd.
Die Reaktionen der Leute auf der Strasse seien phänomenal: «Viele halten den Daumen hoch, wenn ich vorbeifahre. Und Junge schauen ungläubig, weil sie nicht wissen, was das ist.»
Es gebe immer etwas zu basteln: Mal klemmt eine Tür, mal muss etwas anderes mit einem Tropfen Öl wieder in Gang gebracht werden.
Ihr Partner, Heinz Flückiger, sei dafür der richtige Mann. Besitzt er doch einen der seltenen Ford GPW Jg. 1943 in komplettem Originalzustand und hat viel Erfahrung mit mechanischen Autos – aber das ist eine andere Geschichte.
Der Fahrkomfort des «Tschingge-Ruckseckli» hält sich in Grenzen: Obwohl man erstaunlich viel Beinfreiheit hat, spürt man jede kleine Unebenheit auf der Strasse. Für grosse Füsse sind die nahe beieinanderliegenden Pedale ungeeignet. Der luftgekühlte Motor mit 17 PS – schliesslich ist der Nuova die Luxusvariante, der «normale» leistete nur gerade 13 PS – erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. «Aber auch nur mit Heimweh, eingeklappten Ohren und Rückenwind», wie Beatrice Kaufmann lachend verrät.
Bei so «hohen» Geschwindigkeiten sei’s auch nicht mehr besonders angenehm, weshalb sie auf Autobahnfahrten ganz verzichte. «Ich schone das Auto sowieso: keine steilen Strassen, denn der Motor neigt dazu, zu überhitzen.» Ihr Partner hat ihr deshalb auch eine Stange montiert, mit der sie von innen die Motorhaube hinten öffnen kann, damit der Motor zusätzlich Luft zur Kühlung erhält.
Das Getriebe ist nicht synchronisiert, man muss mit Zwischengas schalten. Servolenkung oder Bremshilfe? Fehlanzeige. Auch Gurte gibt es nicht. «Einen Unfall in diesem Auto überlebt man wahrscheinlich nicht, nicht einmal bei 40 km/h», sagt Kaufmann. Am Armaturenbrett gibt es genau drei Schalter: einen fürs Licht, einen für die Scheibenwischer und einen für die Beleuchtung des Tachos.
Der ist bei der Luxusvariante übrigens rechteckig, der Original Fiat 500 hat einen runden Tacho. Und das Zündschloss – Anlasser mit Choke befinden sich zwischen den Sitzen.
Im Kofferraum vorne hat es hinter dem Reserverad gerade mal Platz für vier Liter Milch und ein Brot, dann ist er voll.
«Dieses Auto wurde für die Stadt gebaut. Und wenn man mal keinen Parkplatz findet, kann man ihn auch locker in einem Briefkasten unterbringen», so Beatrice Kaumann schelmisch.
«Ich fahre dieses Auto, so lange ich Lust dazu habe. Im Audi Q3 bin ich stolz unterwegs, im Fiat 500 Nuova einfach nur glücklich.»