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Solothurn
Die schneeballartige Organisation «Games and Charity» wirbt mit vollmundigen Versprechungen und will Hilfswerken helfen. Diese aber meiden die Firma zusehends.
Es ist nichts Geringeres als «die beste Idee aller Zeiten», die an diesem Dezemberabend in Olten präsentiert wird. Die beste Idee aller Zeiten, verkündet der gut gelaunte Redner den rund 70 Anwesenden im Tinguely-Saal des Hotels Arte, ist eine Website. Auf www.gamesandcharity.com können Spieler in Online-Games ihre Geschicklichkeit unter Beweis stellen und an kostenpflichtigen Wettbewerben teilnehmen.
60 bis 70 Prozent der Einnahmen aus den Teilnahmegebühren, so versprechen die Betreiber, fliessen an Hilfswerke – und an die «lokale Wirtschaft». «Geld verdienen und dabei Gutes tun» heisst die Losung von «Games and Charity», die in den vergangenen Wochen jeweils donnerstags an den Informationsanlässen in Olten verbreitet wurde.
«Games and Charity» existiert seit Oktober, hat aber schon einigen Staub aufgewirbelt. Die Aufmerksamkeit der Medien und der Lotterie- und Wettkommission Comlot (siehe Artikel unten links) verdanken die Erfinder der Website indes weniger der Genialität ihrer Idee als dem Umstand, dass sie sich offenbar am Rande der Legalität bewegen.
Pyramidenartiges Partnersystem
Während «Games and Charity» nämlich vordergründig ein Angebot für Spieler mit wohltätiger Ader ist, verbirgt sich dahinter eine Struktur, die deutliche Parallelen aufweist zu den einschlägig bekannten Schneeball- und Pyramidensystemen. Geld gemacht wird bei «Games and Charity» – beziehungsweise auf der Partnerseite www.gigawins.com – derzeit vornehmlich mit Mitgliederbeiträgen: Wer einen Jahresbeitrag von 800 Franken leistet, wird Partner.
Ein Partner ist angehalten, weitere Partner anzuwerben – für jedes gewonnene Mitglied kassiert er eine Provision. Weitere Provisionen fliessen, wenn die von einem Partner rekrutierten Mitglieder wiederum Neumitglieder anwerben. Was anfänglich funktioniert, rechnet sich bei zunehmender Breite der Pyramide für die neu dazustossenden Partner irgendwann nicht mehr – es sei denn, «Games and Charity» verbreite sich nach und nach über den gesamten Erdball.
Eine Geldbeschaffungsmaschine?
Wenn man die Männer hinter dem undurchsichtigen Projekt reden hört, dann ist das gar nicht mal so unmöglich. «In einem Jahr», prophezeit Bernhard Schaub auf der Bühne im Tinguely-Saal, «werden wir der grösste Geldgeber der Welt sein.» Der Baselbieter Schaub ist laut seinen Mitstreitern «der Mann mit der Idee». Auf der Bühne erzählt Schaub die rührende Geschichte, wie es zu «Games and Charity» kam: Nachdem er einen Fernsehbeitrag über einen Rentner gesehen hatte, der sein Dasein in Armut fristete, musste Schaub die feuchten Augen trocknen. Kurz darauf hatte er die Eingebung: «Games and Charity» konnte die Lösung sein für die Bedürftigen dieser Welt.
Eher als das Welthungerproblem wird «Games and Charity» indes allfällige Geldprobleme seiner Betreiber lösen können – im Kern scheint die Online-Plattform nämlich eine Geldbeschaffungsmaschine für ihre Erfinder zu sein: Rund 600 Partner sollen bislang registriert sein, womit Beiträge im Umfang von 480 000 Franken an «Games and Charity» geflossen wären. Dazu kommen die Einnahmen aus den Wettbewerbsteilnahmen: Ein Telefonanruf kostet einen Franken – in Olten werden die Zuhörer indes aufgefordert, Dutzende Male anzurufen, um die Gewinnchancen zu steigern.
Der Geldfluss zurück an die Mitglieder und an die Hilfswerke scheint hingegen weniger reibungslos zu funktionieren: Geschäftsführer Raymond Vogel macht zwar am Telefon gegenüber der az Solothurner Zeitung geltend, dass etliche Partner ihren Beitrag bereits refinanziert hätten; an der Informationsveranstaltung rechtfertigen sich die «Games and Charity»-Köpfe aber für nicht erfolgte Auszahlungen. Viele Partner, so die Erklärung, hätten ungenaue Kontoangaben gemacht.
Die letzten und bisher einzigen Spenden wiederum datieren gemäss Auflistung auf der Homepage vom 11. November. Den Hilfswerken, deren Logos auf der Seite präsentiert werden, ist die Präsenz auf «Games and Charity» offenbar zusehends unangenehm: So hat etwa «Terre des hommes» die Entfernung des Logos verlangt.
Spielen statt für Geld arbeiten
Die Ungereimtheiten bei «Games and Charity» dämpfen die Stimmung an der eineinhalbstündigen Informationsveranstaltung im Hotel Arte freilich nicht: Die Versammlung lauscht gebannt, wenn Bernhard Schaub, Raymond Vogel und Mitstreiter Bruno Favre im Minutentakt vollmundige Behauptungen aufstellen: «Games and Charity» ist die beste Idee aller Zeiten. «Games and Charity» wird innert Jahresfrist zum grössten Spender der Welt avancieren. Wer hier mitmacht, kann seinen regulären Job demnächst an den Nagel hängen, weil er mit «Games and Charity» ein Jahreseinkommen von bis zu einer halben Million Franken erzielen wird.
Die drei Männer geben sich jovial und hemdsärmlig, sie klopfen Sprüche, ernten Gelächter und Applaus. Man wähnt sich in einem Gottesdienst für Glücksritter: In grossen Worten wird eine Welt umrissen, in welcher der Glaube an das schnelle Geld ökonomische Gesetzmässigkeiten ausser Kraft zu setzen vermag. Versammelt sind nicht in erster Linie Neuinteressenten, sondern bereits Eingeweihte. Sie melden keine Zweifel an, weil Skepsis in diesem Umfeld etwas für Langweiler und Mutlose zu sein scheint. Etwas für Ewiggestrige, die noch immer dem Glauben anhängen, dass für Geld gearbeitet werden muss: «Gameschscho oder schaffschno?» heisst der sperrige Wahlspruch, der gegen Ende des phasenweise surrealen Spektakels an die Leinwand hinter der Bühne projiziert wird.