Das warme Wetter führt zu einer überdurchschnittlich hohe Menge und zu einer frühen Ernte. Das heisst für die Obstbauern aber nich automatisch mehr Geld: In ländlichen Regionen wird weniger gekauft, weil viele Leute selbst genug Äpfel haben.
Auf den ersten Blick müssen die Obstbauern zufrieden sein: Die Ernte fällt dieses Jahr überdurchschnittlich aus, die Früchte sind zwei Wochen früher reif als gewohnt und die Qualität stimmt. «Die Menge ist mindestens so hoch wie letztes Jahr. Qualität und Grösse sind erstaunlich gut», sagt Obstproduzent Konrad Vogt aus Grenchen. Gründe dafür sind der schöne Frühling, ein warmer Mai und Juni sowie fehlender Frost. Im Sommer musste Vogt sogar bewässern.
«Viele Äpfel und wenig Schäden» bestätigt auch Phlipp Gut vom landwirtschaftlichen Bildungszentrum Wallierhof. Er schränkt aber ein: «Dies gilt vor allem für den oberen Kantonsteil. Im Gäu und im Niederamt hat es teils massive Hagelschäden gegeben.»
«Gute Jahre sind eher schwierig»
Trotz der vielen Früchte: Auf den zweiten Blick sind gerade die «guten» Jahre für Obstbauern nicht nur Grund zur Freude. «Eine bessere Ernte heisst nicht automatisch mehr Geld», sagt Susy Birrer vom Gummenhof in Niederwil. «In ländlichen Regionen wird weniger gekauft, weil viele Leute selbst genug Äpfel haben.»
Am 30. August hat der Gummenhof mit dem Pflücken der Galaäpfel begonnen – letztes Jahr war die beliebteste Schweizer Sorte erst Mitte September reif. «Gute Jahre sind eher die schwierigen Jahre für die Vermarktung» sagt auch Konrad Vogt. Die Äpfel werden eingelagert und im Winter verkauft. Hinzu kommt: Zwar fällt die Ernte auch bei professionellen Obstproduzenten höher aus, die Schwankungen sind aber etwas weniger hoch als im privaten Garten. Denn die Bauern steuern die Menge der Äpfel. «Wir sind bestrebt, jedes Jahr die gleiche Menge zu haben», erklärt Birrer. Im Juni machen sie sich von Hand mit der Schere ans Werk und schneiden überzählige Früchte ab.
Bereits im Frühling werden die Blüten chemisch «ausgedünnt.» Ein Grund dafür: Hat ein Baum sehr viele Äpfel, sind diese kleiner. Um jedoch in die erste Qualitätsklasse zu gelangen, muss ein Apfel einen Durchmesser von 65 bis 85 Millimeter haben. Ein weiterer Grund für das Ausdünnen ist die Pflanze selbst. Denn Apfelbäume funktionieren nach der sogenannten «Alternanz»: Ist der Baum in einem Jahr überlastet, hängen im nächsten Jahr weniger Äpfel dran.
Mit dem gezielten Ausdünnen sorgen die Produzenten dafür, dass die Pflanze auch im nächsten Jahr wieder viele Früchte trägt – während bei weniger umsorgten Bäumen in Privatgärten die Zahl der Äpfel nach einem guten Jahr automatisch zurückgeht. So oder so: «Der Obstbau ist nicht nur auf ein Jahr ausgerichtet. Nach zehn Jahren kann man Bilanz ziehen», erklärt Birrer. Denn immer wieder werden junge Bäume, die weniger Früchte tragen, nachgezogen.
Auch der Preis bewegt sich bei einem grossen Angebot tendenziell nach unten. «Es ist zu befürchten, dass die Äpfel günstiger werden», sagt Philipp Gut. Dass dies für den Konsumenten spürbare Auswirkungen hat, glaubt er allerdings nicht: «Der Preis fällt nicht ins Bodenlose. Mit dem Ablesen, Lagern und dem Transport hat man gewisse Fixkosten so oder so.» Noch keine Preisprognose kann Konrad Vogt abgeben, der auch Grossverteiler beliefert. Richtig abrechnen könne man erst im Frühling, wenn alle Lagerbestände verkauft sind.
«Wenig ausgeprägtes Sortenaroma»
Hochbetrieb herrscht bei der Mosterei Gloor in Hüniken. Die Äpfel sind drei Wochen früher da als üblich und die Menge ist nach Schätzungen von Betreiber Walter Gloor um 15 bis 20 Prozent höher als im letzten Jahr. Es sind vor allem Privatleute, die ihre Ernte aus Gärten und Hosteten bringen. Bei der Qualität hat Gloor allerdings gewisse Bedenken: «Das sortentypische Aroma ist dieses Jahr wenig ausgeprägt.» Dies führt er auf zu wenige kalte Nächte zurück, denn erst die richtige Mischung zwischen kühlen Nächten und warmen Tagen bringe das richtige Verhältnis zwischen Fruchtzucker und Säuregehalt. «Optimal ist, wenn der Zuckergehalt bei 45-55 Öchsle liegt und die Säure bei 6/7.» Um dies zu messen, gibt es spezielle Geräte, die Gloor aber trotz ihrer Genauigkeit nicht für die Krönung hält. «Am besten beisst man in den Apfel. Der eigene Gaumen ist der beste Massstab.»