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Solothurn
Alles begann in den USA. Hans Schaffner wollte in Chicago Karriere machen, doch er kam nicht vom Fleck. Also kehrte er zurück in die Schweiz und gründete in Solothurn das «Ingenieurbüro für angewandte Elektronik». Daraus ist die heutige Schaffner Elektronik entstanden.
Eigentlich wollte Hans Schaffner in den USA Karriere machen. Nach dem Krieg war er, aus dem Glarnerland stammend, dank einem Stipendium in die USA übersiedelt, wo er in Chicago doktorierte. Als Leiter eines 50-köpfigen Forschungsteams bei General Motors suchte der Elektroingenieur dort nach Lösungen für die Entstörung von Autoradios. Da er beruflich aber nicht wie gewünscht vom Fleck kam, reiste der 40-Jährige im Februar 1962 zurück in die Schweiz und gründete das «Ingenieurbüro für angewandte Elektronik». Daraus ist die heutige Schaffner Elektronik entstanden.
Hans Schaffners erste Firma mit vier Mitarbeitern hatte ihre Räume im Gebäude des Kinos Canva in Solothurn. Die ersten Produkte waren Halbleiter-Relais und Kühlkörper für Transistoren. «Zwar kamen über 100 Anfragen, aber kommerziell war das Relais ein Flop», erinnert sich Schaffners Mitarbeiter Robert Engist in der kürzlich erschienenen Festschrift zum Firmenjubiläum.
Noch im gleichen Jahr gründete Schaffner eine neue Firma, die besser florierte und bald in Derendingen grössere Räume bezog. Peter Ruepp, den Schaffner in den USA kennen gelernt hatte, stiess dazu und entwickelte eine elektronische Steuerung für eine Holzbearbeitungsmaschine, die an der Expo 64 in Lausanne gezeigt wurde.
Die Firma wuchs kontinuierlich, wurde eine AG und bezog schliesslich in Luterbach einen Neubau. Schaffner, der bei seiner geschiedenen Mutter aufwuchs, wurde als Unternehmer durch seinen Götti Samuel Blumer geprägt. Dieser hatte mit seiner Firma Therma dem Elektroherd in der Schweiz zum Durchbruch verholfen. 1950 heiratete Hans Schaffner Elisabeth Krieg, die Tochter des Messerschmiedes am Solothurner Kronenstutz. Sie hatten zusammen drei Kinder.
Mit der Lancierung des ersten EMV-Netzfilters (EMV, Elektromagnetische Verträglichkeit) 1970 legte Schaffner den Grundstein für die globale Marktführerschaft seines Unternehmens. 1978 wuchs der Umsatz auf 10 Mio. Franken. Weil er für das Wachstum keine Bankkredite aufnehmen wollte, verkaufte Hans Schaffner die Firma 1981 an die Elektrowatt AG, eine aus der europäischen Stromindustrie hervorgegangene Finanzierungsgesellschaft mit der SKA (heute Credit Suisse) als Haupteigentümerin. 1982 wurden 250 Personen beschäftigt, davon 200 in Luterbach.
Es folgte ein Jahrzehnt mit rasantem Wachstum. Zeitweise wurden zu den 500 Beschäftigten in Luterbach nochmals gleich viele Heimarbeiter, meist aus dem bäuerlichen Milieu im Berner Oberland, beschäftigt.
Doch die Globalisierung holte auch Schaffner ein. Die Eröffnung des Werkes in Thailand 1989 zog die ersten 220 Entlassungen in der Schweiz nach sich. Noch 1985 war in Luterbach eine riesige dreistöckige Produktionshalle eröffnet worden. Die tiefen Arbeitskosten in Asien für das Massenprodukt EMV-Filter machten bald klar, dass die Schweiz als Produktionsstandort schwer zu halten war.
1994, der Firma ging es gut, beschloss die CS, Elektrowatt aufzuspalten. Schaffner sollte verkauft werden. Nach langwierigen Verhandlungen bot die Elektrowatt Hand zu einem Management-Buyout (MBO) an Alex Oechslin, Thomas Grichting, Richard Müller und Heinrich Kunz. Der Preis: 85 Millionen Franken.
«Das war hochgradig unfair», berichtet Richard Müller. Doch mithilfe von zwei Finanzgesellschaften gelang der Schaffner-Geschäftsleitung das scheinbar Unmögliche. Kaum war aber der Deal eingefädelt, fuhren die Schweizer Banken dem Team in die Parade. Sie kündigten die seit Jahren bestehenden Kreditlinien. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion flogen darauf die GL-Mitglieder nach London, um bei einer internationalen Bank weitere Millionen aufzutreiben. Insgesamt wurden 159 Millionen Franken bereitgestellt.
In den Verträgen mit den Investoren wurde verlangt, dass die Schaffner Gruppe innerhalb von sieben Jahren an die Börse gebracht werden sollte. Dieser Schritt erfolgte am 17. Juni 1998, als die Namenaktien der Schaffner Holding AG erstmals an der SIX gehandelt wurden. Im Geschäftsjahr 1999/2000 betrug der Umsatz 185 Millionen Franken.
Das Millennium brachte allerdings den Anbruch schwierigerer Zeiten. 2002 schrieb man den ersten Verlust der Firmengeschichte, die Umsätze implodierten. Die Turnaround-Massnahmen brachten weitere Produktionsverlagerungen nach Asien (wo sich auch die grossen Wachstumsmärkte befinden) sowie neue Produkte für die Automobilindustrie. 2003 starb Firmengründer Hans Schaffner im 83. Altersjahr. Er war auch nach dem Verkauf der Firma in Luterbach wohnen geblieben.
2006 wurde die Testgeräteabteilung ans damalige Management verkauft. Unter dem Namen Teseq floriert dieses Geschäft am Standort Luterbach erneut (wir berichteten). Gleichzeitig wurde der deutsche Trafo-Hersteller Jacke übernommen.
Der heutige CEO, Alexander Hagemann, ist seit 2007 im Amt. Die globale Finanzkrise 2008 traf Schaffner voll. Es gab Monate, da wurden in einzelnen Bereichen 80 Prozent weniger Umsatz erzielt als im Vorjahr. Die Kapazitäten wurden umgehend reduziert. Seither fährt der Umsatz Achterbahn: Nach einem exzellenten Geschäftsjahr 2010 folgte eine erneute Abkühlung.
Eine Zäsur in der Unternehmensgeschichte war die Schliessung der letzten Produktionsabteilung in Luterbach 2010, 48 Jahre nach der Firmengründung. Diese Produkte werden jetzt
in Ungarn gefertigt. Verblieben ist die Entwicklungsabteilung und die Konzernleitung. 2011 betrug der globale Personalbestand 2700 Mitarbeitende.
In Luterbach arbeiten noch etwa 120 Personen.
Von der Produktpalette her fühlt sich Schaffner aber für die Zukunft gerüstet. Über die Hälfte des Umsatzes von 2011 (184 Mio. Fr). werden mit Komponenten für energieeffiziente Motoren, Solarwechselrichter, Windturbinen, Bahnen, Hybrid- und Elektrofahrzeuge erzielt.
Das Firmenjubiläum feierte Schaffner «in engerem Kreis» zusammen mit den Mitarbeitern in Luterbach, wie Frank Almer, Leiter Marketing und Kommunikation erklärt. Da in Luterbach keine Produktionsjobs mehr zu besichtigen sind, wurde auf einen Tag der offenen Türen verzichtet. «Wir entschieden uns dafür, ein Buch mit der Unternehmensgeschichte herauszugeben», erklärt Almer. Dieses ist jetzt im Buchhandel erhältlich.
Quelle: Festschrift 50 Jahre Schaffner 1962–2012.