Parteiwechsel
Deshalb wechselt Irene Froelicher von der FDP zu den Grünliberalen

Die 58-jährige Irene Froelicher , seit 10 Jahren FDP-Kantonsrätin, tritt aus Partei aus und wechselt zu den Grünliberalen. Froelicher war die profilierteste Energie- und Umweltpolitkerin der FDP im Solothurner Kantonsrat.

Christian von Arx
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Entfremdet: Irene Froelicher zieht die Konsequenzen. (Bild: Hansjörg Sahli)

Entfremdet: Irene Froelicher zieht die Konsequenzen. (Bild: Hansjörg Sahli)

Solothurner Zeitung

Sie wurden von der FDP nicht für die Nationalratsliste nominiert, jetzt treten Sie aus der Partei aus. Sind Sie eine schlechte Verliererin?

Irene Froelicher: Ich komme vom Sport und bin gewohnt, mit Niederlagen umzugehen. Aber ich ziehe auch Konsequenzen aus Niederlagen. Mit meinem Votum an der Nominationsversammlung habe ich nicht allgemeine Zustimmung gesucht, sondern bewusst das gesagt, was mich innerhalb der Partei speziell profiliert. Die Nomination war für mich ein letzter Test, ob mich die FDP will und ob ich mit meiner Haltung noch in die Partei passe. Für mich war klar: Wenn ich nicht nominiert werde, trete ich aus.

Gab es denn noch andere Erfahrungen, die dazu führten, dass Sie sich selbst vor diese Alternative stellten?

Verheerend ist in erster Linie die thematisch einseitige Positionierung der FDP in Wirtschafts-, Finanz- und Steuerfragen. Das ist zwar alles wichtig, aber das sind nicht die Probleme, die die Bevölkerung beschäftigen. Die FDP hat vieles verschlafen. Zum Beispiel ist mir die Fraktionsmehrheit nicht gefolgt, als ich einen Vorstoss für ein Energieförderprogramm plante. Ich konnte ihn dann nur in meinem eigenen Namen lancieren und hätte nach Ansicht der Fraktion damit noch länger zuwarten sollen, was ich nicht tat - am Ende wurde der Auftrag vom Kantonsrat einstimmig gutgeheissen. Als ich den Vorstoss für eine Änderung des Lastenausgleichs Soziales im Finanzausgleich lancierte, wurde das als «sozialistisch» beschimpft. Das hat mich geschmerzt. Ich fühlte mich immer wieder zu Unrecht in eine links-grüne Ecke gestellt. Mein Wort hatte in der Fraktion nicht das Gewicht, das andere in ihren Bereichen haben. Es waren viele kleine Nadelstiche, die mir das Gefühl gaben, in der FDP nicht genehm zu sein.

Allein auf weiter Flur waren Sie mit Ihrer frühen Kritik an der Umstellung auf Linux in der Kantonsverwaltung. Hat das auch eine Rolle gespielt?

Nein. Das war zwar mein allererstes Votum im Kantonsrat nach meiner Wahl im Jahr 2001. Aber ich stand dabei eher in einem Konflikt mit Regierungsrat Christian Wanner, die Fraktion hielt sich zurück.

Betreffen die Differenzen mit der FDP auch Ihre Haltung zur Kernenergie?

Vor «Fukushima» habe ich den Bau von Ersatz-Kernkraftwerken als Überbrückung nicht ausgeschlossen. Fukushima hat mir aber gezeigt, dass Kernkraftwerke in der Schweiz nicht in Frage kommen können. Wenn die Japaner dieses Risiko nicht im Griff haben, dann ist es in unserem Land untragbar: Bei einem Unfall in Gösgen könnte die ganze Schweiz unbewohnbar werden. «Aus Liebe zur Schweiz» (so der Wahlslogan der FDP - red.) können wir uns keine Kernkraftwerke mehr leisten. Bei mir hat es nach Fukushima «klick» gemacht. Mit der aktuellen Haltung der Partei, «man muss jetzt abwarten und noch genauer schauen», habe ich Mühe.

Ist Ihr Parteiaustritt ein rein persönlicher Entscheid, oder war er mit politischen Freunden abgesprochen?

Das habe ich allein entschieden. Es muss einfach für mich stimmen, wo ich politisiere.

Erhoffen Sie sich eine Signalwirkung auf andere FDP-Mitglieder?

Ich werde niemanden aktiv abwerben. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wo er hingehört. Aber vielleicht löst mein Schritt in der Partei eine interne Diskussion aus, wie sie umgehen will mit Leuten, die kritisch und nicht pflegeleicht sind. Dann hätte mein Austritt einen Sinn für die FDP.

Sie waren Vizepräsidentin der FDP-Kantonsratsfraktion. Wie machen Sie im Kantonsrat weiter?

Das Vizepräsidium der Fraktion habe ich bereits am Tag nach meiner Nichtnomination (30. März) niedergelegt. Da ich den Grünliberalen beigetreten bin, gehe ich davon aus, dass ich nun mit ihnen Mitglied der CVP/EVP/glp-Fraktion werde. Für die FDP war ich Mitglied der Umwelt-, Bau- und Wirtschaftskommission (Umbawiko) - dass ich diesen Sitz nun aufgeben muss, fällt mir schwer. Aber für die glp ist bereits Markus Knellwolf in der Umbawiko, er ist jung und soll dort weiter arbeiten.

Könnten Sie sich vorstellen, nun für die Grünliberalen für den Nationalrat zu kandidieren?

Das war kein Thema bei meinem Parteiwechsel. Dazu habe ich mir keine Gedanken gemacht.

Sie sind auch Präsidentin von Pro Natura Solothurn und von Pro Holz Solothurn. Behalten Sie diese Ämter?

Sofern mein Parteiwechsel für diese Organisationen kein Problem darstellt, bin ich dazu bereit.

Haben Sie nach der öffentlichen Mitteilung Ihres Wechsels von der FDP zu den Grünliberalen gestern Mittag bereits Reaktionen erhalten?

Es gab diverse Mails und Einträge auf Facebook. Mehrere sehr gute Freisinnige haben mir geschrieben und bringen mir grosses Verständnis für diesen Schritt entgegen. Bis jetzt hat mich noch niemand in die Pfanne gehauen.