Während andere Weihnachten feiern, ist Lokführer Andreas Matthys mit dem Zug unterwegs und bringt seine Gäste sicher ans Ziel. Für ihn und seine Familie ist das kein Problem.
Wenn der Regionalzug von Sonceboz heute Abend um 21.37 Uhr am Solothurner Hauptbahnhof eintrifft, erst dann beginnt für Andreas Matthys offiziell Weihnachten. Der SBB-Lokführer ist einer von landesweit Zehntausenden in den öffentlichen Diensten tätigen Menschen, die am Heiligen Abend oder am Weihnachtstag selbst arbeiten müssen.
«Unsere Kinder, die achtjährige Amalie und der elfjährige Svend, finden es schade, dass wir die Bescherung heute Abend nicht gemeinsam feiern können», erzählt Andreas Matthys, um gleichzeitig beruhigend nachzuschieben: «Die Kinder wissen, dass ich unregelmässige Arbeitszeiten habe, und zeigen Verständnis dafür.» Auch seine Frau Mette Meinert Matthys, mit der er seit zwölf Jahren verheiratet ist, komme mit der ungewöhnlichen Situation zurecht. «Sonst würde es nicht klappen.»
Jugendtraum umgesetzt
Der 48-jährige Matthys ist stolz auf seinen Beruf. Er habe seinen Jugendtraum verwirklichen können. Der gelernte Elektromonteur begann 1987 nach einem zweijährigen Abstecher bei den Jungfraubahnen bei den SBB seine Ausbildung zum Lokführer. Seit damals bringt er die Loks im Regional- und Fernverkehr zuverlässig und nach Fahrplan von A nach B. Hohe Flexibilität verlangt nicht nur sein «fahrender» Arbeitsort, sondern auch seine Einsatzbasis wechselt wohl mehr als im Durchschnitt.
Depot Bern, Depot Genf, Depot Bern und nun vorübergehend Depot Solothurn, welches auf den jüngsten Fahrplanwechsel hin neu aufgebaut worden ist. «Ich wohne in Burgdorf und fahre zurzeit die Strecken Solothurn nach Sonceboz oder von Olten über Biel nach Neuenburg.»
Dass ein Lokführer sehr unregelmässig arbeiten muss, sei ihm bei Beginn der Ausbildung nicht direkt bewusst gewesen. «Das hat bei meinem Entscheid keine Rolle gespielt.» Er habe seine berufliche Karriere nie bereut, denn der Beruf gefalle ihm auch nach 23 Jahren sehr gut. «Das ist das Wichtigste, verbringen wir als berufstätige Menschen doch die meiste Zeit bei der Arbeit.» Zudem, ergänzt Matthys, habe das unregelmässige Arbeiten nicht nur Nach- sondern auch Vorteile. «Wir als Familie können unter der Woche Ausflüge machen oder Ski fahren gehen.»
Weihnachtsgefühle im Führerstand
Trotz des Arbeitseinsatzes am Heiligen Abend geht die weihnachtliche Stimmung nicht spurlos an Andreas Matthys vorbei. Wenn er am frühen Abend im Bahnhof einfahre, spüre er die besondere Stimmung und es komme mit dem Wissen, dass die meisten Menschen unterwegs zu einer Weihnachtsfeier sind, auch Wehmut auf.
Andererseits sei es, wie übrigens generell an Sonntagen, angenehmer zu arbeiten. «Es hat keine Berufspendler, die zur Arbeit hetzen. Es ist ein anderes Gefühl, das ich wahrnehme. Die Fahrgäste sind ruhiger, die Hektik aus dem Alltag fehlt.»
Für ihn persönlich ist denn auch mit dem Dienst am Feiertag kein Unglück verbunden. «In den vergangenen Jahren hatte ich jeweils über Weihnachten frei nehmen können. Aber jemand muss in den sauren Apfel beissen. Nicht das gesamte Bahnpersonal kann zu Hause bleiben.» Diese Einstellung hätten sich die Bähnler verinnerlicht. «Die Diensteinteilung über die Festtage führt in der Regel nie zu Konflikten», weiss Matthys aus Erfahrung. Er spüre auch, dass es die Fahrgäste schätzen, dass sie jemand sogar an Weihnachten sicher nach Hause oder an einen anderen Zielort bringe.
Bescherung an Weihnachten
Andreas Matthys kann also den heutigen Abend nicht mit seiner Familie verbringen. Nach Arbeitsschluss wird er erst gegen 23 Uhr zu Hause in Burgdorf eintreffen. Er hat aber Glück, dass er zumindest am Weihnachtstag nicht arbeiten muss. «So werden wir als Familie zusammen mit den Schwiegereltern aus Dänemark einen Tag später gemeinsam Weihnachten feiern. Unsere Kinder freuen sich deshalb nicht weniger fest auf die Bescherung», sagt Matthys lachend.