Palliative Care
«Hat man Freude am Leben oder Angst vor dem Tod?»: Wie das Forum Palliative Vorderland einlädt, über das Sterben nachzudenken

Herzenswünsche festhalten oder über die eigene Vergänglichkeit nachdenken: Diese Möglichkeit bietet sich der Bevölkerung vom 9. bis 18. Juni in Heiden anlässlich der Aktionswoche unter dem Motto «Bevor ich sterbe ...».

Mea McGhee
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Gastspiel in Heiden: Alle sind eingeladen, auf dem Kubus ihre Wünsche und Gedanken aufzuschreiben.

Gastspiel in Heiden: Alle sind eingeladen, auf dem Kubus ihre Wünsche und Gedanken aufzuschreiben.

Bild: PD

Bevor ich sterbe, möchte ich: Ja, was möchten wir? Leben, lieben, die Welt retten, nicht allein sein, einmal die Nordlichter sehen ...

Solche und noch viel mehr Herzenswünsche wurden im Rahmen der Aktion «Bevor ich sterbe» bereits schriftlich auf schwarzen, zu einem Kubus angeordneten Tafeln, festgehalten. Vom 9. bis 18. Juni wird dieser Kubus auf dem Kirchplatz in Heiden stehen. Die Bevölkerung ist eingeladen, den Kubus zu beschriften und zu bemalen. Die Aktion wird fotografisch dokumentiert. Im Vorfeld laden die Kirchgemeinden ausserdem dazu ein, Fotos einzusenden (pfn.hesse@bluewin.ch), die spiegeln, was einem im Leben wichtig ist. Diese werden während der Aktionswoche als Diashow in der reformierten Kirche in Heiden von 8 bis 17 Uhr und in der Kirche Rehetobel gezeigt.

Verantwortlich für das Projekt ist das Kernteam des Forums Palliative Vorderland AR. Geplant ist zudem ein Rahmenprogramm mit einer Vernissage (9. Juni) und einer Finissage (16. Juni) im Kirchgemeindehaus in Heiden. Vorgesehen ist jeweils um 19 Uhr eine Lesung. Anlässlich der Vernissage liest Evi Ketterer, engagierte Pflegefachfrau Palliative Care, Mitarbeiterin der Spitex Vorderland und Autorin aus ihrem Buch «Geschichte intimer Beziehungen – Sterbebegleitung einmal anders erzählt». Die Finissage wird gestaltet durch Willi Näf – Wahlbaselbieter, Heimwehappenzeller, Buchautor, Texter, Satiriker und Kolumnist.

Bezug zum Sterben reflektieren

Evi Ketterer, Spezialisierte Palliative Care bei der Spitex Vorderland.

Evi Ketterer, Spezialisierte Palliative Care bei der Spitex Vorderland.

Bild: PD

«Mit meiner Lesung möchte ich die Bevölkerung einladen, den Bezug zum Sterben zu reflektieren», sagt Evi Ketterer. Danach können sie auf dem Kubus ihre Gedanken formulieren. Sie ist seit 14 Jahren im Bereich spezialisierte Palliative Care tätig und arbeitet seit rund einem Jahr in einem 80-Prozent-Pensum für die Spitex Vorderland. Ketterer ist eine von zwei Mitarbeiterinnen mit der Ausbildung CAS Interprofessionelle spezialisierte Palliative Care. Sie begleitet Menschen mit einer Diagnose, die nicht heilbar ist, auch schon bevor körperliche Pflege notwendig wird. Diese «Early Palliative Care» beschreibt Evi Ketterer so: «Ich bin eine Bezugsperson für den Umgang mit der Erkrankung und stelle sicher, dass die Behandlung der Symptome von Anfang an gut kontrolliert ist.» In der Palliative Care sei es wichtig, dass die Menschen selbstbestimmt und in Absprache mit ihrer Familie und den Spezialisten Entscheidungen fällen können. Auch die Betreuung der Angehörigen, der Aufbau eines Netzwerks sowie die Beschaffung von Hilfsmitteln gehören zu Ketterers Aufgaben. Ziel der Woche sei unter anderem, die Bevölkerung über Angebote im Bereich Palliative Care im Vorderland zu informieren.

Galgenhumor, Trauer, aber auch Freude

Evi Ketterer stellt in der Gesellschaft ein Tabu fest, sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen. In Gesprächen mit Betroffenen sei die Frage oft zentral, ob sie aus Freude am Leben oder Angst vor dem Tod weiterleben möchten. Sie versuche den Menschen zu helfen, Ressourcen der Lebensfreude und im Umgang mit Leiden zu finden. Die Spezialisierte Palliative Care ist sich bewusst, bei der Betreuung Teil einer Gemeinschaft zu werden, die sich mit den innigsten Momenten des menschlichen Daseins auseinandersetze. Galgenhumor, Trauer, Spiritualität aber auch Freude dürften dabei Platz haben.

In der «Early Palliative Care» stehen für Evi Ketterer der Mensch sowie die professionelle Nähe im Zentrum. Sie sagt: «Ich sehe nicht nur Laborbefunde oder OP-Berichte.» An der Vernissage zur Aktionswoche in Heiden wird sie die Geschichte einer Sterbebegleitung erzählen, verbunden mit einer Rückspiegelung, was die Geschichte mit unserem Leben zu tun hat. Anregen möchte sie auch zu Gedanken darüber, was einem die eigene Vergänglichkeit lehrt. Sie sagt: «Das Bewusstsein unserer Vergänglichkeit kann uns lehren, wie wir leben möchten.»

Schnittstelle und Vernetzungsplattform

Das Forum Palliative Vorderland AR ist eingebettet in Palliative Ostschweiz. Es sieht sich als Schnittstelle und Vernetzungsplattform im Bereich Palliative Care zwischen den Institutionen, ambulanten Organisationen, Freiwilligen und politischen Behörden im Appenzeller Vorderland inklusive Oberegg. Die Mitglieder des Forums setzen sich ein für die Entwicklung und Verankerung von Palliative Care in der Region unter Einbezug aller Netzwerkpartner (Spitex. Alters- Pflegeheime, Ärzte, Seelsorge, Pro Senectute etc.).