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Kommentar zum abschliessenden Wahlgang um den Einzug in die Solothurner Regierung.
Bereits vorgestern Samstag durfte Brigit Wyss etliche Glückwünsche entgegennehmen – zum Geburtstag. Doch das ganz grosse Geschenk, verbunden mit überschwänglichen Gratulationen, gab es erst gestern Sonntag: Die Solothurner Wählerinnen und Wählern haben die grüne Politikerin in die Regierung gewählt. Ein Paukenschlag, mit dem realistischerweise nicht zu rechnen war. Wir jedenfalls mussten die vorbereitete Rohfassung des heutigen Kommentars völlig umschreiben. Er drehte sich in erster Linie um die zu erwartenden neuen Regierungsrätinnen Susanne Schaffner und Marianne Meister.
Im Gegensatz zur enttäuschenden FDP-Kandidatin ist die SP-Frau souverän durchmarschiert. Ihr Erfolg geht angesichts des überraschenden Ergebnisses der Grünen und dem Debakel des Freisinns schier etwas unter. Dass Susanne Schaffner den SP-Sitz verteidigen konnte, geht jedoch in Ordnung. Sie hat reichlich politische Erfahrung, ist intelligent und selbstbewusst. Ihre Gegner hätten sie zudem gerne etwas handzahmer – ein weiter Pluspunkt für die Oltnerin. Sie dürfte sedierenden Ansätzen in ihrem künftigen Departement und wenn nötig auch im Regierungskollegium etwas entgegenzusetzen haben. Alles andere wäre eine Enttäuschung.
Dass die Sozialdemokratin den SP-Sitz verteidigen konnte, hat zwei zusätzliche, nicht unwesentliche Aspekte: Der untere Kantonsteil ist weiterhin in der Regierung vertreten und die vielköpfige, sozialdemokratische Kantonsrats-Fraktion verfügt über den wichtigen Leuchtturm. Ebenfalls einen, bloss noch einen, hat nun also auch die FDP. Diese Partei hat ganz offensichtlich ein gröberes Problem, was die Personalpolitik anbelangt. Wem in zehn Jahren ein Nationalratssitz, ein Ständeratssitz und nun gar noch ein Sitz in der Kantonsregierung abhandenkommt, sollte zu einem Mindestmass an Selbstkritik fähig sein. Bei allem Verständnis für den angehäuften Frust: Schuld sind nicht immer die andern. Hätte der derzeitige Präsident seinen Rücktritt nicht bereits angekündigt, müsste man ihm spätestens jetzt dazu raten.
Selbstverständlich wissen alle Parteioberen, dass Majorzwahlen Personenwahlen sind. Wer den Erfolg unbedingt will, kann diese Binsenwahrheit jedoch nicht einfach ignorieren. Dass Kandidatin Marianne Meister für höhere Weihen nur schwerlich als Überfliegerin taugt, hat sich sowohl bei den jüngsten Ständeratswahlen als auch im ersten Wahlgang vor wenigen Wochen gezeigt. Ein Blick auf ihr gestriges Resultat spricht Bände: Selbst in ihrem eigenen Bezirk konnte Meister nicht brillieren.
Wesentlich geschickter haben da die Grünen agiert: Als klar war, dass die FDP nicht mit dem stärksten Zugpferd ins Rennen steigen wird, haben sie ihr Trumpfass gezogen. Und dieses hat tatsächlich gestochen – eben, weil es um eine Personenwahl ging. Mit Brigit Wyss stand eine besonnene Politikerin mit einem beeindruckenden beruflichen Werdegang zur Wahl. Weit über ihre schmale politische Heimat hinaus traut man ihr das Amt ganz offensichtlich zu. Eine grüne Frau Regierungsrätin in einem bürgerlich dominierten Kanton, das konnte nur eine wie sie schaffen.
Wahlkampf war gestern. Ab heute gilt: Wir haben weiterhin eine bürgerliche Regierung, wenn auch noch ohne SVP, dafür erstmals mit zwei Frauen. Wir wünschen gutes Gelingen und hoffen, dass der zentrale Leitsatz «gouverner cest prévoir» von den Alltagsgeschäften nicht überdeckt wird.
theodor.eckert@azmedien.ch