Analyse
Grenchner Politik schaufelt am eigenen Millionengrab

Analyse zur Windpark-Diskussion und zur anhaltenden Kritik an der SWG.

Andreas Toggweiler
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Lässt der Gemeinderat auch noch den Windpark auf dem Grenchenberg fallen?

Lässt der Gemeinderat auch noch den Windpark auf dem Grenchenberg fallen?

zvg

Die Gemeinderatssitzung von dieser Woche hat es in einer bisher nie gesehenen Deutlichkeit gezeigt: Die Grenchner Politik ist drauf und dran, den selber initiierten Windpark an die Wand zu fahren. Die Entwicklung der letzten Jahre ist ein Lehrstück für Verhinderungs-Aktivisten jeglicher Art unter dem Motto: «Stetes Schlechtreden höhlt den Stein – und die Politikerköpfe». Eine spezielle Tragik ist, dass dabei das Vorzeige-Objekt im Kanton Solothurn in Sachen Energiewende den Bach runterzugehen droht.

Wer erinnert sich noch an die Atomkatastrophe von Fukushima 2011? Sie hat auch in der Schweiz ein Umdenken ausgelöst. Das AKW Mühleberg wird demnächst abgeschaltet. Zum Dispositiv für den Ersatz des Atomstroms gehört auch ein gewisses, wenn auch kleines Quantum Windstrom. Weil der Grenchenberg für dessen Erzeugung nachweislich geeignet ist, haben die SWG das Projekt «Windkraft Grenchen», damals noch mit dem Segen der Politik, lanciert. Es soll immerhin zwei Drittel des Stromverbrauchs von Grenchens Haushalten und Gewerbe decken.

Heute hat die CO2- bzw. Klima-Problematik die Angst vor dem Atom-Unfall bereits wieder abgelöst. Und auch in der Grenchner Politik wurden seit der Lancierung des Projekts die Karten schon zweimal neu gemischt. Die Euphorie für die Windkraft ist ziemlich verflogen. Im Gemeinderat wird inzwischen die Polemik der kleinen, aber lauten Gruppe der lokalen Anti-Windpark-Aktivisten eins zu eins nachgebetet. Und seit der SVP-Fraktionschef in einer persönlichen Kampagne hinter den Kulissen bei jeder Gelegenheit den Kopf des SWG-Chefs fordert, ist in der rechtsbürgerlichen Fraktion die ohnehin minime Begeisterung für das Windpark-Projekt ganz erloschen. Dort sinnt man nur noch auf Rache für das als unbotmässig empfundene Verhalten der SWG-Führung gegenüber der Politik und ist offenbar bereit, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Wie konnte es so weit kommen? Eine wichtige Rolle haben gut organisierte Windparkgegner gespielt, welche die Klaviatur der Manipulation, Insinuation und Polemik erstklassig beherrschen. Da sie als Einsprecher bis vor Bundesgericht abblitzten, haben sie seither mit gebetsmühlenartig wiederholten Vorwürfen systematisch Stimmung gegen die SWG gemacht. Diese mochten noch so abstrus sein. Oft genug vorgetragen, bleibt immer etwas hängen: Der Windpark gefährde die Wasserversorgung Grenchens, die Grenchner Gasbusse seien untauglich und ihr Einsatz in Grenchen ein mafiöses Unterfangen der Gasindustrie, Smart Metering (ein Dossier bei dem die SWG zu den nationalen Vorreitern des intelligenten Stromnetzes gehört) sei reine Geldverschwendung. Viel beachtete lokale Facebook-Seiten dienen als Agitprop-Plattformen, an der Gemeindeversammlung und in Leserbriefkampagnen wird der SWG-Chef als selbstherrlich und unfähig hingestellt. Zusammen mit Windkraftgegnern aus dem Emmental gelang es schliesslich auch noch, jegliche Ausgaben der SWG für die Evaluierung von weiteren Standorten für Windenergie als Verschleuderung von Gebührengeldern darzustellen. Dieses Narrativ der Windparkgegner beginnt sich jetzt im Gemeinderat durchzusetzen. Nun kann man den Kopf des SWG-Chefs fordern, weil er das Gremium nicht über diese Ausgaben informiert habe.

Nur ab und zu erwähnen einzelne Gemeinderäte scheu, dass die SWG ja eigentlich einen guten Job mache. Aber sonst herrscht Funkstille. Eine ganz schräge Nummer legte der Gemeinderat hin, als kürzlich der SWG-Vizepräsident die Firmenstrategie der SWG detailliert erläuterte: keine Frage, keine Bemerkung, nur schweigen (das Bände spricht). Als der SWG-Chef an einer Gemeindeversammlung massiv verunglimpft wurde, meldete sich kein einziger Gemeinderat zu Wort, auch nicht der Stadtpräsident.

Während grosse staatliche Energie-Konzerne wie die BKW Firmen zusammenraffen, was das Zeug hält und wie jüngst im Solothurnischen Projekte mit mehreren hundert Arbeitsplätze lancieren, soll sich die SWG gleichzeitig bis auf die Unterhosen ausziehen. Immer und immer wieder wird mehr Transparenz gefordert. Fast täglich, von irgendjemand. Was genau damit erreicht werden soll, ist weniger transparent. Ausser halt wieder öffentliche Kritik, die hängen bleibt.

Aber von den günstigsten Strompreisen der Region, der Ansiedlung einer Hi-Tech Firma im neuen SWG-Gebäude, den Solarprojekten (diesen Sommer z. B. auf dem Dach der Zentrumsturnhalle), von der neuen Biogas-Produktion der SWG spricht kein Mensch. Hält diese Stimmung im Gemeinderat an, ist es nicht mehr weit bis zur Forderung, die SWG soll auch noch ihr letztes und einziges Projekt einer eigenen Stromproduktion aufgeben.

Welch ein Desaster wäre das. Welche wirtschaftliche Ignoranz. Welche Kurzsichtigkeit und Bankrotterklärung der Energiestadt, die sich auch noch Technologiestadt im Grünen nennt. Wenn hier einer ein Millionengrab schaufelt, dann ist es nicht die SWG, sondern die Grenchner Politik. Nämlich, wenn sie sich von den SWG-Gegnern weiter so manipulieren lässt, dass sie auch noch den Windpark fallen lässt. Bei der SVP ist das bereits gelungen.

Es muss nicht zwingend so weit kommen. Und es ist auch nicht zu spät. Es gibt Corporate Governance-Fragen zu lösen, die mit der jetzt beschlossenen Erarbeitung einer Eignerstrategie angegangen werden. Und der SWG-Baufirma müssen Fesseln angelegt werden, damit sie im Siedlungsgebiet die passenden Bauverfahren anwendet. Punkt. Dazu braucht es aber eine neue Einigkeit der Politik, die zurzeit nicht gegeben ist.