Zwangsräumungen
Es ist längst fünf nach zwölf

Wochenkommentar zu zwei anstehenden Zwangsvollstreckungen im Raum Solothurn.

Theodor Eckert
Theodor Eckert
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Die Besitzerin des Grundstücks, auf dem Strickler seinen Raubtierpark unterhält, hat ein Vollstreckungsgesuch eingereicht.

Die Besitzerin des Grundstücks, auf dem Strickler seinen Raubtierpark unterhält, hat ein Vollstreckungsgesuch eingereicht.

Hanspeter Bärtschi

Richtig, die beiden Geschichten haben auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeit. Auf den zweiten übrigens auch noch nicht. Bei genauerem Hinsehen fällt schliesslich doch etwas auf und lässt aufhorchen.

Es ist lediglich ein Wort: Es lautet Zwangsvollstreckung. Zwang – da sträuben sich bei jeden freiheitslieben Menschen die Nackenhaare. Vollstreckung – das assoziiert Endgültigkeit. Todesurteile werden vollstreckt. Tönt zivilisierter als vergiftet, aufgeknöpft oder abgeknallt.

Gemach, wir bleiben beim Begriff Zwangsvollstreckung. Der tauchte medial in diesen Tagen gleich mehrfach in Zusammenhang mit einer stationär gewordenen Gruppe Fahrender (die ehemaligen Zigeuner) sowie einem ebenfalls sesshaft gewordenen Raubtier-Bändiger samt Anhang auf. Schälen wir also den gemeinsamen Nenner heraus.

Konkret: In Rüttenen hat eine Familie einen Standplatz schier seit Menschengedenken in Beschlag genommen und verteidigte ihn über Jahre erfolgreich gegen amtlich angestrebte Wegweisungen.

In Subingen sollte ein Raubtierpark im Industriegelände ebenfalls seit Jahren die Zelte abbrechen, doch der Initiant findet immer wieder Wege, oder besser gesagt Ausflüchte, um dem drohenden Unheil zu entgehen.

Inzwischen ist einigen der Geduldsfaden gerissen, andern hat es den Nuggi rausgehauen. Natürlich nicht denen mit dem Sitzleder. Sowohl die Fahrenden als auch der Raubtiermann haben nun das Messer am Hals:

Sie müssen ihre Standplätze räumen. Haut ab, verschwindet, so empfinden es die Betroffenen. Die Beobachter sind hin- und hergerissen.

Die aktuelle Situation mag als bürokratisch, kleinkariert, kommerzorientiert, unmenschlich oder tierfeindlich taxiert werden. Doch ist sie dies tatsächlich? Aus der Froschperspektive ja, nicht jedoch bei nüchterner Betrachtung.

In beiden Fällen haben die Verhandlungspartner der «Sitzstreikenden» sehr viel Verständnis und Langmut bewiesen. Sowohl die Rüttener als auch der Subinger wussten, dass ihre Uhr am Ticken ist. Wem die Stunde schlägt, verdrängten sie lange Zeit erfolgreich.

Zudem waren sie höchst kreativ, wenn es darum ging, den unvermeidlichen Gongschlag zu verhindern. Das ist menschlich und tierisch nachvollziehbar. Wenn die Gegenseite dabei mitspielt, kann man als unbeteiligter Beobachter höchstens mit den Schultern zucken.

Wer den Bogen überspannt...

Inzwischen haben die Niedergelassenen in Rüttenen und Subingen den Bogen überspannt. Nicht ganz einfach allerdings: An beiden Orten kann die Obrigkeit nicht einfach mit dem Holzhammer einfahren, wie dies in banalen Fällen schon mal geschieht.

Eine namenlose, renitente Einzelmaske verfrachtet man leicht von A nach B. Eine Familie ansässiger Fahrenden, respektive einen ganzen Raubtierpark lassen sich unter den Augen der Öffentlichkeit nicht so leicht vertreiben. Welcher Polizist will denn schon einen sibirischen Tiger am Schwanz aus seinem Gehege zerren?

Verantwortung übernehmen

Womit wir in Rüttenen bei des Pudels Kern (sofern sie einen derartigen Vierbeiner haben) und in Subingen bei des Löwen Schneidezahn sind: Diese Leute haben ihr Dasein selbst gewählt und tragen somit ein grosses Mass an Eigenverantwortung für das, was nun mit ihnen geschehen soll.

Rüttenen: Als Fahrende wäre es nicht falsch gewesen, sich ernsthaft einen Plan B zurechtzulegen, zumal die Behörden wiederholt signalisiert haben, dass das bevorzugte Anwesen kein Dauerzustand sein könne.

Darauf zu bauen, dass die Öffentlichkeit oder das Amt X eine bequeme Lösung auf dem Silbertablett präsentieren, ist eine zweifelhafte Anspruchshaltung. Aber eben, Ansprüche an den Staat stellen mittlerweile noch ganz andere.

Subingen: Ohne Zweifel ist es eine Herausforderung sondergleichen, einen Raubtierpark zu zügeln. Das weiss jedes Kind. Das war und ist zweifellos auch dem Besitzer bewusst. Nicht zuletzt deshalb setzt er alles daran, bleiben zu können.

Doch wenn eine Veränderung ansteht, trägt nicht irgendwer die Verantwortung, sondern er als private Betreiber. Er hat zugegebenermassen eine Attraktion aufgebaut, doch das entbindet ihn nicht, sowohl für deren Verbleib als auch einen allfälligen Abbau besorgt zu sein.

Selbstverständlich können seine stolzen Vierbeiner nicht einfach im nächsten Katzenheim abgegeben werden. Doch er hat bisher mit und für seine Raubkatzen gelebt, entsprechend ist er über Subingen hinaus für deren Zukunft verantwortlich.

In Anbetracht der jetzigen Entwicklung stellt sich gar die Frage, ob derartige Haltungen noch zeitgemäss sind, ob sie überhaupt noch zugelassen werden sollen. Zu hart?

Wäre mehr Menschlichkeit, mehr Tierlichkeit gefragt? Nichts gegen einen gewissen Spielraum, aber Regeln und Gesetze sorgen in unseren Breitengraden für ein respektables Mass an Verlässlichkeit, Gleichbehandlung und Ordnung im Umgang untereinander. Dafür gilt es einzustehen.