Da passt das Wetter einmal nicht auf, und schon spriesst es wieder. Zwischen dem erfrorenen Schnittlauch vom letzten Jahr grünt es ganz zart. Die Petersilie nebenan spürt ebenfalls den viel zu frühen Frühling, so auch der Pfefferminzstrauch und die Erdbeeren. Wie ich meine lieben Mitgärtner kenne, rennen sie nächstes Wochenende wieder alle in die Gartencenter dieses Landes. Und kaufen Dinge, die sie noch gar nicht brauchen können.
Mir treibt das frühe Treiben vor allem Schweisstropfen auf die Stirn. Denn es kündigt das schlimmste Ereignis an, das man sich mit einem Apfelbaum im Garten denken kann: die Rückkehr von Bambi und seinen Reh-Freunden.
Die mögen drum unser Apfelbäumchen. Vor allem mögen sie die Knospen und die Rinde. So sehr, dass es im vergangenen Jahr nur gerade ein halbes Dutzend Knospen bis zum Apfel geschafft haben. Den ganzen Rest haben sie aufgegessen und so die Aussicht auf eine Apfelwähe zerstört.
In diesem Jahr bin ich aber vorbereitet.
In Gedanken male ich mir aus, wie ich die Reh-Bande verscheuche. Nachts liege ich auf der Lauer, das Gewehr mit den Schreckschusspatronen neben mir. So warte ich auf Bambi, vollgepumpt mit Adrenalin und Energy-Drinks. Bis das Reh kommt und mein Schuss die nächtliche Stille am Waldrand zerreisst. Bambi schreckt auf, ich schau ihm für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen und lasse ihn wissen: Ich bin der Chef dieses Apfelbaums, hau ab. So die Vorstellung, die Realität wird anders aussehen. Eine nächtliche Begegnung mit einem Tier ist mir unheimlich. Also bleibe ich im Bett liegen und hoffe, dass Bambi dieses Jahr lieber Kirschknospen isst.