Trauerbegleitung
Zwei Kinder über die Zeit nach dem Tod ihres Vaters – «Könnt ihr denn noch glücklich sein?»

Vivianne und Daniel erzählen, was ein Jahr nach dem Tod ihres Vaters von ihm noch da ist.

Stéphanie Berger*
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Professionelle Betreuung hilft Kindern, deren Eltern gestorben sind. (Symbolbild)

Professionelle Betreuung hilft Kindern, deren Eltern gestorben sind. (Symbolbild)

Keystone

Daniel (11 Jahre) und Vivianne (8 Jahre) aus Bern haben ihren Vater im August 2017 durch eine schwere Krankheit verloren. Die Mutter der beiden hatte bereits vor dem Tod ihres Mannes den Verein Familientrauerbegleitung kontaktiert. Heute besuchen die Kinder regelmässig eine Waldkinder-Trauergruppe. Die Namen der Kinder wurden auf deren Wunsch geändert.

Zum Thema: Sterben geliebte Menschen, brauchen die Kinder Trauerhilfe

Als euer Papa gestorben ist, könnt ihr euch erinnern, wie traurig ihr gewesen seid?

Vivianne: Mehr als traurig!

Ist die Traurigkeit heute immer noch gleich gross?

Daniel: Nein, ich bin weniger traurig, wir haben es ein bisschen verdaut.
Vivianne: Wir haben gelernt, damit umzugehen. Manchmal denken wir daran, aber das geht jetzt besser.

Habt ihr euren Papa noch gesehen, als er gestorben war?

Beide: Ja.

Wenn der Vater stirbt

Daniel und Vivianne aus Bern haben ihren Vater im August 2017 durch eine schwere Krankheit verloren. Die Mutter der beiden hatte bereits vor dem Tod ihres Mannes eine Familientrauerbegleiterin kontaktiert. In Luzern startet ab November je eine Kinder – und Jugendtrauergruppe.

Der Verein Familientrauerbegleitung vermittelt Fachleute.

www.familientrauerbegleitung.ch 
www.kindertrauer-leicht.ch

Darf man Kindern erlauben, ihren verstorbenen Papa oder die verstorbene Mama zu sehen?

Daniel: Ja, doch ... obwohl, das war schon schlimm.

Wäre es besser gewesen, wenn ihr ihn nicht mehr gesehen hättet?

Vivianne: Nein, dann wäre ich noch trauriger gewesen!

Daniel: Wir durften im Garten mit Freunden den Sarg bemalen. Mit Mama zusammen konnte ich den Sarg zuschrauben, bevor wir Papa darin aus dem Haus getragen haben. Die Urne haben wir drei zusammen selbst getöpfert.

Kann man mit Kindern über den Tod reden?

Daniel: Ja, das kann man. Das geht.

Es gibt Leute, die sagen, man solle Kinder vor Tod und Trauer fernhalten. Was sagst du denen?

Daniel: Ich finde es schlimm, wenn man Kindern verbietet, über den Tod zu reden. Egal ob über den verstorbenen Vater oder über das verstorbene Haustier.

Ihr seid von einer Trauerbegleiterin begleitet worden. Wie war das?

Vivianne: Sie hat uns teilweise Sachen gefragt, die uns noch trauriger gemacht haben. Aber sonst war es ganz toll. Sie hat uns viel geholfen und erklärt.

Daniel: Sie hat uns aber nicht so schlimme Sachen gefragt wie die Mama!

Was waren das für Sachen?

Vivianne: Nun ja, so schlimm war es nicht. Wir konnten ihr auch sagen, dass wir manchmal Fragen nicht beantworten wollten oder nicht wussten, was wir dazu sagen sollten.
Kommt die Trauerbegleiterin noch zu euch, ein Jahr nachdem euer Papa gestorben ist?

Daniel: Nein, wir gehen jetzt manchmal samstags in ihre Waldtrauergruppe, gemeinsam mit anderen Kindern. Das ist toll!

Vivianne: Da können wir Kindern Tipps geben, deren Mama oder Papa erst vor kurzem gestorben ist.

War es euch peinlich, vor der Trauerbegleiterin zu weinen?

Beide: Nein, überhaupt nicht.

Wie ist es, wenn die Mama heute weint?

Vivianne: Dann ist das nicht mehr so wahnsinnig schlimm, aber immer noch schlimm. Meistens fange ich dann auch an zu weinen. Dann liegen wir zusammen in meinem Bett und reden darüber.

Müsst ihr auch in der Schule manchmal an euren Papa denken oder wenn ihr bei Freunden seid?

Vivianne: Es geht so. Ich musste auch schon mal in der Schule weinen, aber meistens tue ich das zuhause.

Daniel: Bei dir, Vivianne, in der Klasse ist ein Kind, dessen Papa auch gestorben ist, und bei zwei anderen ist der Papa weggegangen. Bei mir gibt es drei Kinder, bei denen die Eltern getrennt sind und der Papa von einem Freund ist auch gestorben.

Könnt ihr denn noch glücklich sein?

Beide: Ja!

Sind die Sachen von eurem Papa alle weg?

Daniel: Nein! Das wäre schlimm, wenn alles weg wäre, was mich an Daddy erinnert! Dann wäre unser Haus halb leer!

Vivianne: Das wäre sehr schlimm. Aber wir haben Mama gefragt, was mit Papas Sachen im Eingang passiert. Da waren nämlich immer noch seine Schuhe und seine Jacken. Wir haben Mama gefragt, ob wir die Sachen nicht in den Keller räumen könnten. Denn immer, wenn wir von der Schule heimkamen, sahen wir Papas Sachen. Das war nicht schön. Das hat mich traurig gemacht, weil ich ihn so vermisse.

Daniel: Ein paar wenige Jacken hängen noch dort.

Vivianne: Zwei Paar Schuhe sind noch da. Die hat jetzt Mami an, weil sie dieselbe Schuhgrösse hat wie Daddy. Jetzt kann sie seine Schuhe anziehen (lacht).

Wo ist euer Papa jetzt?

Beide: In unserem Herzen!

Vivianne: Und als wir in den Skiferien waren, dachte ich, ich weiss nicht mehr, wie es geht. Aber dann habe ich fest an Daddy gedacht und konnte die Piste hinuntersausen! Er hat uns damals das Skifahren beigebracht. Und als wir fest an ihn dachten, haben wir uns wieder an seine Tricks und Anweisungen erinnert.

Daniel: Mami hat ihm kurz vor seinem Tod noch gesagt, er solle den Fussball-Gott so lange suchen, bis er ihn findet, und ihm sagen, dass der BSC Young Boys endlich nach 32 Jahren die Meisterschaft gewinnen soll. Und er hat es gemacht!

* Stéphanie Berger ist Journalistin und Trauerbegleiterin. Sie hat das Gespräch für den Verein Familientrauerbegleitung geführt.