Garten
Die Thuja-Hecken-Ära geht zu Ende: Ein Abgesang

Thujahecken entzweien das Land seit den Siebzigern. Nun macht ihnen der Klimawandel den Garaus. Endlich.

Niklaus Salzmann
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Perfekt grün sind Thujahecken nur noch, wenn sie regelmässig gegossen werden.

Perfekt grün sind Thujahecken nur noch, wenn sie regelmässig gegossen werden.

Getty Images

Die Thujahecke ist die perfekte Umfriedung des englischen Rasens. Ein Musterbeispiel für die Kontrolle der Natur durch den Menschen, welcher jedes vorstehende Ästchen stutzt, bis die Hecke ebenso viereckig wie das Einfamilienhaus dahinter ist. Ein Sichtschutz, der jahrein, jahraus das Eindringen unbefugter Blicke verhindert und – für die Bewohnerinnen und Bewohner ebenso wichtig – auch in die andere Richtung dafür sorgt, dass der Blick nicht auf fremde Lebenswelten fällt, deren Andersartigkeit das Bild der perfekten Schweiz stören könnte.

Schon in den Siebzigern und Achtzigern, der Hochblüte der Thujahecken, gab es solche andersartigen Gärtnerinnen und Gärtner, damals «Alternative» genannt, die der Wildnis Einlass in die Zivilisation gewährten und es ungepflegt wuchern liessen – bei den Pflanzen ebenso wie bei den eigenen Haaren am Kinn und in den Achselhöhlen. Für diese war die Thuja der Inbegriff von Spiessigkeit. Rückendeckung kriegte die Anti-Thuja-Front vom Naturschutz, gemäss dem die Thuja überhaupt nicht in die Schweiz gehört und trotz des deutschen Namens «Lebensbaum» kaum einen Wert als Lebensraum für Tiere hat.

Ein Gericht hat die Schuldfrage geklärt

Ernsthaft gefährdet wurde die Thuja durch solche Kritik nicht. Sie ist noch immer in praktisch jedem Einfamilienquartier der Schweiz anzutreffen. Doch in den letzten Jahren hat das Bild so mancher Thujahecke Makel gekriegt: da ein brauner Fleck, hier ein abgestorbenes Bäumchen oder auch zwei. Statt Perfektion zu demonstrieren, vermitteln sie nun den Eindruck von Unordnung, Unzulänglichkeit, Vernachlässigung.

Die Abteilung Landschaft und Gewässer des Kantons Aargau brachte es kürzlich auf Facebook auf den Punkt: «Die Thuja gehört zu den beliebtesten Heckenpflanzen der Schweiz, doch ihre Tage sind gezählt. Der Klimawandel macht ihr zu schaffen, Krankheiten und Fressfeinde suchen die geschwächten Lebensbäume heim.» Wie von Gärtnereien zu erfahren ist, setzt die Trockenheit der Thuja zu und macht sie anfällig für Schädlinge. In Rheinland-Pfalz gab es vor einem Jahr sogar ein Gerichtsurteil, das festhielt, dass der Tod einer Thujahecke dem Klimawandel anzulasten war.

Wer die Thuja pflegt, demonstriert Macht über die Natur

Die Wurzeln der Thuja wachsen flach in den Boden hinein. Das funktioniert in ihrer eigentlichen Heimat, den sumpfigen Wäldern im Nordosten der USA und in Kanada. Aber nicht (mehr) auf den Bauparzellen im Schweizer Mittelland, wo seit der Jahrtausendwende ein Hitzerekord den anderen jagt. Sobald die Oberfläche austrocknet, mangelt es der Thuja an Wasser. Selbstverständlich lässt sich das in den Griff kriegen: mehr giessen, mehr spritzen. Wir haben ja nicht nur elektrische Heckenscheren, wir haben auch gegen jeden Käfer das passende Insektizid und gegen jeden Pilz ein Fungizid zur Hand. Ob es der Pflanze hier passt oder nicht, sie hat sich anzupassen an die Vorstellung des Menschen, der sich die Erde untertan macht.

Wer sich heute noch eine Thujahecke leistet, demonstriert damit gleich doppelt Macht über die Natur. Wir trotzen nicht nur den Versuchen der Pflanzen, chaotisch in alle Richtungen zu wachsen, sondern auch dem Klimawandel, der uns vorschreiben will, was in unseren Gärten zu wachsen hat.

Einheimische bevorzugt

Die Thuja zu giessen und zu spritzen ist aber nichts als Symptombekämpfung. Ungefähr so elegant und effektiv, wie mehr Klimaanlagen zu bauen gegen die Hitzewelle oder mehr Intensivbetten bereitzustellen gegen die Pandemie. Im Gartenbau wird deshalb laut über Alternativen (nicht zu verwechseln mit den «Alternativen» weiter oben in diesem Text) nachgedacht. Also über andere Pflanzen, die besser mit den hiesigen Gegebenheiten zurechtkommen.

Doch dabei zeigen sich bereits wieder die beiden unterschiedlichen Mentalitäten. Die einen suchen einen Ersatz, welcher der Thuja möglichst ähnlich ist – also formbar und blickdicht. Die anderen plädieren für Hecken mit einem höheren ökologischen Nutzen und lehnen alles Nicht-Einheimische ab (obwohl sie in anderen Fragen tendenziell für offenere Grenzen plädieren).

Es gibt ihn auch bei den Hecken, den helvetischen Kompromiss

Allerdings ist die Auswahl an einheimischen Immergrünen klein. Der Aargau geht in seinem Facebook-Post so weit, auch Pflanzen vorzuschlagen, die im Herbst das Laub verlieren. Wieso auch nicht? Was auch immer auf dem Rasen hinter den Hecken getrieben wird, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist – die Chance ist gross, dass es im Winter ohnehin nicht getan wird. Aber da ist ja noch die Sache mit dem Blick nach aussen.

Werden Hecken also auch in der Nach-Thuja-Ära die Geister nicht nur räumlich, sondern auch ideell scheiden und die Gesellschaft entzweien? Das muss nicht sein. Besinnen wir uns auf einen helvetischen Grundwert, ohne ihn gleich als bünzlig zu verschreien: den Kompromiss. Das ist in diesem Fall die Eibe – einheimisch und pflegeleicht; klimafest, immergrün, formbar. Sie ist zwar giftig, aber erstens gilt das auch für die Thuja, und zweitens fressen Vögel unbeschadet die roten Beeren. Wenn es die Eibe schafft, unter dem Druck des Klimawandels die Nachfolge der Thuja anzutreten, ist das wahrlich ein Gewinn. Nicht nur für die Natur. Auch für das Ästhetikempfinden vieler Menschen.

Was tun, wenn die Thuja braun wird?

In jüngeren Hecken können nach und nach diejenigen Bäumchen, die krank sind, ersetzt werden. Bei älteren Hecken sind die Wurzeln stark ineinander verwachsen, hier muss radikal alles auf einmal ersetzt werden. Doch durch welche Pflanzen? Isabella Sedivy, Biologin bei der Umweltkommunikationsagentur Plan Biodivers, sagt: «Ökologisch sind einheimische Pflanzen immer die beste Wahl.» Immergrün sind Eibe, Stechpalme und Wacholder. Kommen auch Wildsträucher in Frage, die nicht das ganze Jahr grün sind, wird die Auswahl viel grösser: Feldahorn, Kornelkirsche, Weissdorn, Hainbuche, Felsenbirne, Weide, Wolliger und Gewöhnlicher Schneeball, Wildrose, Pfaffenhütchen, Haselnuss, et cetera. Alternativ können die Stämme der abgestorbenen Thujen stehen gelassen werden, sie dienen dann als Gerüst für Kletterpflanzen wie Efeu, Hopfen, Waldgeissblatt, Waldrebe und Wildrosen. Am meisten hat die Natur davon, wenn verschiedene Pflanzenarten gemischt werden.