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Fundamental wird sich die Europa-Politik auch unter US-Präsident Joe Biden nicht ändern. Und doch wird es anders als mit Trump. Die Übersicht.
Jetzt, wo die Amtszeit von US-Präsident Donald Trump vorbei ist, scheuen sich Europas Politiker und Regierungschefs nicht mehr, ihre Ablehnung gegenüber der amerikanischen Politik der letzten vier Jahre offen zu zeigen. Zahlreich sind die Statements, die den Machtwechsel in Washington in grossen Worten bejubeln.
.@JoeBiden wird alle Hände voll zu tun haben, die Trümmer von Trump zu beseitigen. Dass das gelingt, ist auch im Interesse Europas. Wir sind bereit, aktiv zu unterstützen, z.B. bei Bidens „Netzwerk der Demokratien“, das gut zu unserer „Allianz für den Multilateralismus“ passt.
— Heiko Maas 🇪🇺 (@HeikoMaas) January 11, 2021
Auch wenn diese Erklärungen den Beigeschmack von Gratismut haben - fest steht: Mit Präsident Joe Biden soll die transatlantische Beziehung einen Neustart hinlegen.
Diese fünf Dinge werden sich mit Biden verbessern – so, zumindest die Hoffnung auf dem alten Kontinent:
Die Tiraden von Donald Trump gegenüber der Europäischen Union sind legendär. Die EU sei für ihn «schlimmer als China», sagte Trump zum Beispiel beim letzten Weltwirtschaftsforum in Davos. Der US-Präsident wurde in den letzten vier Jahren auch nicht müde, all jene zu unterstützen, die die Europäische Union schwächen wollen. Sei es die Brexiteers in Grossbritannien, den Semi-Autokraten Viktor Orban in Ungarn oder die rechtspopulistische Lega um Matteo Salvini in Italien. Joe Biden dagegen gilt als treuer Freund Europas.
Allerdings: Trotz einem neuen, freundlicheren Ton aus Washington werden alte Differenzen nicht einfach aus dem Weg geschafft sein. Zum Beispiel das grosse Handelsdefizit der EU mit den USA oder das geopolitisch umstrittene Projekt der Nordstream-Gaspipeline mit Russland.
Die Nato sei überflüssig, stellte Trump bereits im Wahlkampf 2016 fest. Auf dem Höhepunkt des Streits beim Nato-Gipfel in Brüssel stand der «Commander in Chief» sogar kurz davor, spontan den Austritt aus der mächtigsten Verteidigungsallianz der Welt zu verkünden. Für die europäische Sicherheitsarchitektur wäre das eine Katastrophe gewesen. Joe Biden jedoch ist ein überzeugter Transatlantiker. Mit ihm weiss die EU wieder, dass sie im Fall des Falles auf die Amerikaner zählen können.
Allerdings: Auch Biden wird auf eine substanzielle Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben pochen, wie es im Übrigen schon Trumps Vorgänger Obama und George W. Bush taten. Und: Die Forderungen von «Freund Joe» werden die Europäer weit schlechter ignorieren können, als jene von «Orange Man» Trump.
Etwas vom Ersten, was Joe Biden wieder geradebiegen will, ist die Rückkehr der USA ins Pariser Klimaschutzabkommen. Dies, zur grossen Erleichterung der EU: Ohne die USA ist der im Jahr 2015 geschlossene Vertrag sprichwörtlich nur die Hälfte wert.
Allerdings: Auch unter Joe Biden werden die USA gleich nach China der grösste CO2-Produzent bleiben. Hier den Amerikanern Zugeständnisse abzuringen, wird nicht einfach sein.
Während seiner Amtszeit hat Donald Trump einen Handelskrieg mit der Volksrepublik China vom Zaun gebrochen, bei dem die EU zwischen die Fronten geraten ist. Das gilt nicht nur bei den Stahlzöllen. Der Druck, den chinesischen Technologie-Ausrüster Huawei vom europäischen Markt auszusperren zum Beispiel war immens. Mit Joe Biden, so die Hoffnung, wird der Konflikt wieder in geordnete Bahnen gelenkt werden und multilateral gelöst werden. Dasselbe gilt für den Streit um die Besteuerung der US-Tech-Giganten wie Facebook, Google und Co. Konkret wird erwartet, dass US-Präsident Biden die Welthandelsorganisation WTO wieder stärken wird, die Trump gezielt verkümmern liess.
Allerdings: Die Konfrontation China-USA wird sich auch unter Biden weiter verschärfen. Die EU kommt nicht umhin, sich zu entscheiden, auf welcher Seite sie stehen will.
Trump meinte es gut mit der Schweiz: Zweimal hat er unser Land besucht und im Jahr 2019 sogar den damaligen Bundespräsidenten Ueli Maurer im Weissen Haus empfangen. Die Hoffnung stieg, man werde mit «Dealmaker» Trump bald ein Freihandelsabkommen abschliessen können. Ein Teil von Trumps Zuneigung dürfte auch daher gerührt haben, dass die Schweiz kein Mitglied der EU ist. Ob Joe Biden ein Freund der Schweiz ist, wird sich zeigen. Gründe, die dagegen sprechen, gibt es eigentlich keine.
Allerdings: Die US-Regierung dürfte in nächster mit sich selbst beschäftigt sein und daher kaum Zeit für die Schweiz und ihren Wunsch nach einem Freihandelsabkommen haben. Und: Obwohl Nationalbankchef Thomas Jordan die neue Finanzministerin Janet Yellen aus ihrer Zeit als US-Notenbankchefin bestens kennt, heisst das noch lange nicht, dass sich an der US-Einstufung der Schweiz als Währungsmanipulatorin etwas ändern wird.
Was gut ist für Europa ist auch gut für die Schweiz – diese Erkenntnis gilt im Grossen und Ganzen auch was die transatlantischen Beziehungen unter US-Präsident Joe Biden angeht.
Allerdings: Mit dem Abtritt von Donald Trump verliert die Schweiz ihren privilegierten Zugang ins Weisse Haus.