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Die Debatte um sexuelle Belästigung an der Universität Basel findet kein Ende – nun fordern Studierende niederschwelligere Angebote.
Fast ein Jahr ist es her, seit eine Doktorandin der Universität Basel ihrem damaligen Doktorvater vorwarf, sie sexuell belästigt zu haben. Die Universität hat infolgedessen mehrere Massnahmen ergriffen. Unter anderem wurde eine interne Stelle für eine Koordinatorin für Persönliche Integrität geschaffen. Ausserden hat die Uni begonnen das «Reglement über den Schutz vor sexueller Belästigung» zu überarbeiten. Nach einem halbjährigen Sabbatical lehrt der betroffene Professor allerdings wieder. Die Betroffene hat ihr Doktorat hingegen abgebrochen.
Nun stellt die Doktorandin in einem Blogbeitrag neue Forderungen: «Als betroffene Doktorandin denke ich, dass der Massnahmenbescheid in meinem Fall ungenügend war», schreibt sie. Sie möchte drei Anliegen in die öffentliche Diskussion einbringen. Der Professor solle eine finanzielle Entschädigung zahlen, ausserdem solle er eine Therapie machen. Von der Universität erwartet sie, dass zur «Risikosituation Auslandsreisen sensibilisiert wird».
Anlässlich dieses Falles organisierte die «Empört Euch»-Gruppe am Donnerstagabend eine Diskussion im Kollegienhaus. Auf dem Podium sassen eine Vertretung der Studierenden, die Koordinatorin für Persönliche Integrität Andrea Bauer und Jens Gaab als Delegierter für Diversity und Nachhaltigkeit. Besprochen werden sollte nicht der konkrete Fall, sondern die zu ergreifenden Massnahmen, um weitere Fälle zu verhindern.
Das Interesse am Thema war gross. Der Seminarraum war überfüllt. Die Diskussion wurde bis zum letzten Moment angeregt geführt.
Von dem aktuellen Blogbeitrag der betroffenen Doktorandin sei er sehr überrascht, sagte Jens Gaab. Sie habe ihm in mehreren E-Mails mitgeteilt, dass der Fall für sie abgeschlossen sei und sie keine weiteren Forderungen mehr habe. Auch als die Rektorin Andrea Schenker-Wicki ihr angeboten habe, alles zu unternehmen, damit sie ihre Promotion abschliessen könnte, habe sie betont, dass für sie «jetzt alles in Ordnung sei», bestätigt der Mediensprecher der Universität Basel, Matthias Geering. Bei dem Gespräch sei ihr auch ein Wechsel der Betreuungsperson angeboten worden.
Bis zum Ende des Jahres will die Uni nun das aktuelle Reglement überarbeiten und dem Rektorat vorlegen. Ausserdem sei ein Verhaltenskodex, der Code of Conduct und ein obligatorischer Onlinekurs für alle Universitätsmitarbeitenden geplant. «Ich gehe davon aus, dass wir all das in einem Jahr umgesetzt haben», sagte Gaab.
Bezüglich des Reglements kritisierten die Studierenden, dass die Bringschuld bei den Opfern liege. «Wieso wird nicht wie bei der Polizei auch gesagt: Wir sehen das Problem und gehen nun dagegen vor?», fragt eine Studentin aus dem Plenum. Andrea Bauer bestätigt, dass bisher keine konkreten Massnahmen im Reglement festgehalten wurden. Momentan seien Drittpersonen einzig dazu angehalten zu intervenieren. «Das müssen wir künftig präziser formulieren. Führungspersonen sollen verpflichtet sein, einzugreifen», sagt sie. Ausserdem müsse der zu erarbeitende Code of Conduct unbedingt mit dem Reglement und den Arbeitsverträgen verlinkt werden, sonst sei das Papier nur ein «zahnloser Tiger».
Bauer betont ausserdem die grosse Menge der Meldungen, die an sie herangetragen würde, seit sie die neu geschaffene Stelle angetreten habe. «Wir sollten mehrere externe Anlaufstellen haben und diverser aufgestellt sein. Ausserdem brauchen wir eine Ansprechperson, die 24 Stunden erreichbar ist.» Zurzeit sei der wichtigste Punkt allerdings das Doktorat, da dort das mehrfache Abhängigkeitsverhältnis sehr stark sei. Die Studierenden forderten indes stärker in die Erarbeitung des Code of Conducts und des Reglements miteinbezogen zu werden. Die Anlaufstellen müssten viel niederschwelliger sein und die Erarbeitung der Regelwerke transparenter. «Warum können nicht Studierende als Ansprechpersonen fungieren? Und weshalb wurde keine universitätsweite Umfrage gestartet, um zu ermitteln, welche Anliegen es gibt?», hiess es aus dem Plenum. Jens Gaab erwiderte auf die Forderungen, dass es für Studierende durchaus Möglichkeiten gäbe sich einzubringen und rief dazu auf, über die bestehenden Gremien zu gehen.
Im Nachgang der Diskussion äusserten einige Studierende eine zwiegespaltene Haltung gegenüber dem Besprochenen. Sie haben die Auffassung, Andrea Bauer sei sehr bemüht gewesen, die verschiedenen Meinungen anzuhören und konstruktive Ansätze zu finden – Jens Gaab hingegen habe eher den derzeitigen Zustand gerechtfertigt und betont, welche Schwierigkeiten seine Arbeit beinhalte. Dennoch sind sie optimistisch, dass der Austausch positive Folgen haben wird und hoffen auf weitere Gespräche.