Aduhelm-Flopp
Biogen vor Umbruch: CEO muss seinen Hut nehmen – Werk in Luterbach nicht vom Abbau betroffen

Biogen fährt die Aduhelm-Aktivitäten auf ein Minimum weiter und will so weitere 500 Millionen Dollar einsparen. Zugleich wird CEO Michel Vounatsos seinen Hut nehmen müssen, sobald ein Nachfolger gefunden ist.

Sébastian Lavoyer
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Das Headquarter von Biogen in Cambridge, Massachusetts. Hier wird schon bald nicht mehr Michel Vounatsos das Sagen haben. Biogen sucht einen neuen CEO.

Das Headquarter von Biogen in Cambridge, Massachusetts. Hier wird schon bald nicht mehr Michel Vounatsos das Sagen haben. Biogen sucht einen neuen CEO.

Steven Senne/AP

Michel Vounatsos wird als CEO von Biogen zurücktreten, sobald ein Nachfolger gefunden ist. Das teilte Biogen am Dienstag im Rahmen der Präsentation der Vierteljahresergebnisse mit. Der 61-jährige Franzose mit griechischen Wurzeln führte das Biotech-Unternehmen seit 2017. Er war für die Lancierung einiger Wirkstoffe verantwortlich, die zu Aushängeschildern wurden, wie Spinraza (Medikament gegen spinale Muskelatrophie), Vumerity (Multiple Sklerose) oder zuletzt Aduhelm (Alzheimer).

Bei Aduhelm lief aber Etliches schief, nachdem die amerikanische Zulassungsbehörde letzten Sommer anfänglich grünes Licht gab. Mitte Januar 2021 der Genickschlag: Die US-Gesundheitsbehörde veröffentlicht einen Beschlussentwurf («Draft decision»), wonach Aduhelm nur eingeschränkt vergütet werden soll (nur wer gleichzeitig an einer Post-Marketing-Studie teilnimmt, kriegt die Kosten erstattet). Statt einer Million potenzieller Aduhelm-Konsumenten sind es höchstens ein paar hundert.

Zusätzliche Einsparungen von 500 Millionen Dollar

Die anfängliche Euphorie wurde von immer mehr und immer lauteren kritischen Stimmen übertönt. Zuletzt bestätigte Medicare im April den Entscheid, dass man Aduhelm nur eingeschränkt vergüten wird. Das hat Biogen nun dazu verursacht, fast sämtliche Ressourcen von Aduhelm wegzuziehen, was laut dem heutigen Communiqué zu zusätzlichen Einsparungen von rund 500 Millionen Dollar führen soll.

Schon bei der Präsentation der Jahreszahlen im Februar kündigte Biogen Einsparungen von rund 500 Millionen Dollar an. Die Gelder, die man nun bei Aduhelm abzieht, kommen da dazu, man rechnet also mit Einsparungen von rund einer Milliarde Dollar. Geld, das zum Teil im Verlauf der nächsten Jahre wieder strategisch investiert werden soll in neue Wirkstoffe.

Michel Vounatsos war 2018 anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums von Biogen im KKL in Luzern zu Besuch. Ein Jahr zuvor wurde er Biogen-CEO, jetzt muss er gehen.

Michel Vounatsos war 2018 anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums von Biogen im KKL in Luzern zu Besuch. Ein Jahr zuvor wurde er Biogen-CEO, jetzt muss er gehen.

Manuela Jans-Koch

Inwiefern die Schwierigkeiten mit bei der Lancierung von Aduhelm zu Vounatsos' Ende beigetragen haben, bleibt unklar. Klar aber ist, dass man jetzt eine neue Phase einläuten will. Verwaltungsratspräsident Stelios Papadopoulos: «Es ist der richtige Augenblick, um den Übergang zu einem neuen Leader zu beginnen, der auf einer starken Basis das nächste Kapitel der Biogen-Geschichte schreiben wird.»

Vounatsos hat 2021 trotz Aduhelm-Flopp fast 18 Millionen Dollar kassiert

Vounatsos' Verdienst bleibt es, dass er half, das Portfolio von Biogen zu verbreitern. Anfänglich auf Multiple Sklerose spezialisiert, versteht man sich heute als Pionier der Neurowissenschaften mit einer breiten Produktpipeline von über 30 klinischen Programmen, davon zehn in der dritten und letzten Phase. Man ist aktiv in der Bekämpfung von so unterschiedlichen Krankheiten wie Depression.

Zuletzt hat Vounatsos aber auch für Schlagzeilen gesorgt, die in der Branche Stirnrunzeln verursacht haben. Wie die Pharma-Newsplattform Fierce Pharma Ende April publik machte, hat Vounatsos 2021 rund 17,7 Millionen Dollar kassiert. Das ist zwar knapp eine Million weniger als im Vorjahr, zugleich aber ziemlich viel in Anbetracht des sehr holprigen Starts von Aduhelm, also dem Biogen-Wirktstoff, auf dem fast 20 Jahre fast alle Hoffnungen beruhten.

Trotz der Enttäuschungen im Zusammenhang mit Aduhelm soll Luterbach, wo man den Wirkstoff des Medikaments in grossen Mengen herstellen wollte, nicht vom Abbau betroffen, wie das Unternehmen mehrfach betonte.